Der Körper erinnert sich
Der Körper erinnert sich an Alles, was er erlebt hat. Das macht ihn ja zu solch einem wertvollen Instrument, wenn es um die Behandlung traumatischer Erfahrungen geht. Im Zusammenhang mit meinen Artikeln über Trauma und Körper und Trauma – Körper möchte ich heute noch einmal den oft erlebten Ablauf beschreiben, wenn der Körper sich erinnert.
Man kann sich dabei die Erinnerungsfähigkeit des Körpers als eine Speicherung körperlicher Zustände vorstellen. Dabei ist nicht notwendig unbedingt zu wissen, was das traumatisierende Element war. Der Körper erinnert sich nicht immer in Form von Bildern oder Worten. Er kann nicht immer Bilder oder gedanklich abrufbaren Zusammenhänge reproduzieren.
Traumatisierung im Kindesalter:
Findet eine Traumatisierung statt, bevor ein Mensch sprechen kann, dann ist es oft schwierig zu erfahren, was denn genau geschehen ist. Denn ein Kind hat noch keine Vorstellung von der Welt, um das Erlebte dort einzusortieren. Aber der Körper erinnert sich eben. Er hat einen Zustand erlebt, der großen Stress ausgelöst hat, meist auch Verwirrung oder Orientierungslosigkeit. Ein Kind ist also in einer traumatischen Situation völlig überfordert. Es bedarf eigentlich den Schutz und die Erklärung von Bezugspersonen. Daher finden frühkindlichen Traumatisierungen so oft bei unsicher gebundenen Kindern statt. Sicher gebundene Kinder würden nach einem schlimmen Ereignis emotional reguliert werden. Sie hätten Ansprache, Trost und wären nicht alleine. Sie könnten also Kompetenzen entwickeln, die nicht zu einem überfordernden, bedrohlichen Erlebnis führen würden. Und vor Allem würden sie viel seltener in bedrohliche Situationen kommen, da die Bindung zu einer Bezugsperson vorhanden wäre.
Sie sehen an dieser Stelle noch einmal wie wichtig eine frühe gute Bindung für die Entwicklung eines Kindes ist. Wenn Sie wissen möchten, wie sich Bindungsstörungen im Erwachsenenalter auswirken, dann lesen sie dazu gerne den eben genannten Blog.
Kommen wir also wieder zurück zu Traumatisierungen in der Kindheit und ihren Folgen. Der Körper erlebt also einen Ausnahmezustand. Emotional besteht noch keine Reife dies zu begreifen. Alles was ein Kind wahrnimmt ist erst einmal unverständlich und gefühlt „zu groß“. Als Schutzreaktion wird es abgespalten. Die Bedrohung wird weggepackt, um sich weiter entwickeln zu können. Aber der Körper hat diese Situation schon einmal erlebt. Er ist hier also eine Art Gedächtnis.
Auswirkungen im späteren Leben:
Wird nun im späteren Leben erneut eine überwältigende Erfahrung gemacht, so geschieht es oft, dass der Körper nun getriggert wird (Der Blog Körper und Dissoziation beschreibt dies genauer). Der Körper erinnert sich an das was schon einmal gewesen ist. Und plötzlich kommen Zustände ans Tageslicht, die nicht recht zum Auslöser passen. Der Körper wird überflutet mit Stressreaktionen, mit Orientierungslosigkeit, mit Starre und Bewegungslosigkeit, obwohl der erfolgte Reiz eher klein war.
Haben Sie z. B. schon einmal erlebt, dass sich ein Schmerz, der eigentlich aushaltbar wäre mulipliziert? Das Sie in Gedanken gar nicht wieder loslassen können vom Schmerz und sich in ihn hineinsteigern, bis er ihnen gar nicht mehr erträglich vorkommt?
Oder Sie haben sich verlaufen und müssten sich eigentlich nur in Ruhe umschauen und plötzlich macht sich in Ihnen eine Orientierungslosigkeit breit, sie wissen gar nicht mehr wo Sie sind und vor Allem wissen Sie sich nicht zu regulieren?
Der Körper erinnert sich!
Das muss jetzt kein schlimmes Trauma gewesen sein, aber ihr Körper schickt Ihnen die Information, dass er solch eine Orientierungslosigkeit schon einmal erlebt hat und die für ihn schlimm war. Sie war überwältigend, nicht zu regulieren und es gab keine Hilfe.
Dort fängt also das Körpergedächtnis an.
Es ist nun aber nicht so, dass man die körperliche Reaktion auf die erlebte Auslösersituation übertragen kann. WO die Orientierungslosigkeit stattgefunden hat ist noch nicht zu erkennen. Dies dauert oft etwas länger.
Meiner Erfahrung nach reproduziert der Körper Erinnerungen indem er erst einmal den Erregungszustand fühlbar macht. Dies geht oft einher mit schlechtem Schlaf, Reizbarkeit, mit einem drastisch erhöhten Erregungspegel. Oft fühlen sich meine Klienten, als würden sie nie wieder „runterkommen“. Danach kommt es meist zu einem emotional schwierigen Teil. Es beginnt eine emotionale Zuordnung des Erlebten. Ein deutliches Gefühl von Traurigkeit, Ohnmacht, oder Einsamkeit dringt langsam ins Bewusstsein. Auch das ist oft nicht szenisch zuzuordnen. Aber es wird schon klarer worum es geht. An dieser Stelle werden die Belastungen innerhalb einer Familie sichtbar. Es wird deutlich was in der eignen Entwicklung unterstützt wurde und wo es Lücken gab. Oft erkennt man hier eine sequentielle Traumatisierung.Oder auch welche transgenerationalen Themen innerhalb einer Familie herrschten.
Passiert ein Trauma sehr früh im Leben eines Menschen steht oft das Gefühl der Einsamkeit im Vordergrund. Hält eine Traumatisierung lange an kommen meist Gefühlsqualitäten wie Trauer und Ohnmacht dazu. Je überwältigender die traumatischen Episoden waren, umso mehr Angst gesellt sich zu den Gefühlen dazu.
Danach kann es dann dazu kommen, dass es klarere Körpererinnerungen gibt. Diese sind an die Körpererfahrungen einzelner Ereignisse gebunden und spiegeln den dort erfahrenen Körperzustand, der verdrängt wurde, wieder.
Dies muss aber nicht geschehen. Manchmal bleibt die Zuordnung von körperlichen Reaktionen zu einzelnen traumatischen Begebenheiten verborgen. Nicht immer tauchen Bilder oder andere Erinnerungen auf. Dies ist ein schwieriger Punkt. Denn es bedeutet, sich auf das zu verlassen, was der Körper erinnert.
Zusammenfassend möchte ich sagen:
Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass wir gerne versuchen eine Ursache zu finden. Wir sind oft verleitet uns auf eine Interpretation einzulassen, die wir gar nicht beweisen können. Mir reicht es den Körper ernst zu nehmen. Man muss nicht allem auf die Spur kommen, man muss nicht alles aufdecken, um vor sich selbst und vor Anderen glaubwürdig zu sein. Wichtig ist es doch sich mit seinen Befindlichkeiten ernst zu nehme, oder?
Der Körper erinnert sich schon. Das macht er wirklich gut und genau das ist es, was wir ernst nehmen sollten. Der Körper erinnert sich!
Herzlich
Christini Hönig
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