Wie fühlt man sich in einer Dissoziation?
Es ist so, dass jeder von uns in seiner Vorstellung von seinem Ich unterschiedliche Unterteilungen erlebt. Also ich persönlich bin wie ich bin heute mit 43 Jahren, aber wenn ich mit meinem Sohn Eisenbahn spiele, dann kann ich mich auch schon mal wieder jünger fühlen. Und auch so verhalten…
Fühle ich mich dann in einer Dissoziation? Nein. Denn es bestehen keine großen Barrieren zwischen meinen eigenen inneren Anteilen. Das spielen mit der Eisenbahn ist nicht traumatisch besetzt.
Andere Menschen fühlen sich wie in einer Dissoziation, wenn persönliche Ichzustände, die Erinnerungen an traumatische Inhalte gespeichert haben, getriggert werden. Diese Zustände können aber noch nicht gefühlt werden. Weil vielleicht der Schrecken noch zu groß ist, oder die Erinnerung an die kindliche Angst noch da ist. Es fehlt aber die Erinnerung an das, was Angst gemacht hat. Wie sich Dissoziationen unterscheiden können lesen Sie bei Interesse gerne unter Trauma und Dissoziation.
Ein Beispiel, um das o. g. zu verdeutlichen:
Eine Klientin hat tätliche Angriffe zwischen Vater und Mutter mitgekriegt. Sie hat beobachtet, wenn es zu häuslicher Gewalt kam und hat sich versteckt. Das kann sie erinnern. Sie kann aber nicht erinnern, wie es sich für sie angefühlt hat. Sie berichtet sehr nüchtern:“Ja sie habe wohl Angst gehabt“, kann diese jedoch nicht emotional reproduzieren. Davor hat sie wiederum zu viel Angst. Nun geht sie eine Beziehung ein und der Freund, ein sehr friedliebender Mann, bekommt einen Wutanfall, weil er sich so überlastet fühlt durch seine Arbeit. Die Klientin erschrickt und berichtet über einen Gesichtsausdruck, den sie in ihm wahrgenommen hat. Sie reagiert mit sehr großer Angst vor ihrem Freund, weil sie annimmt, (obwohl sie weiß, dass es nicht so ist) die Wut richte sich gegen sie selbst. Sie geht aus dem Haus und traut sich nicht wieder zu ihm zurück. Erst nach einiger Zeit und einiger Beruhigung kann sie ihn wieder treffen und mit ihm zusammen sein.
Dieses Beispiel beantwortet die Frage: Wie fühlt man sich in einer Dissoziation? recht anschaulich.
Man fühlt sich plötzlich nicht mehr man selbst, es scheint, als würde man auf Reaktionen zurückgreifen, die sehr automatisch ablaufen. Die meisten Menschen bemerken diesen Vorgang. Sie berichten mir, dass sie beobachten können, wie sie plötzlich wieder in einem bestimmten Muster reagieren. Ob nun im Verhalten oder emotional ist hier Nebensache. Einige Beispiele zu „wie man sich in einer Dissoziation fühlen kann“.
- Plötzlich fühlt man sich völlig alleine und unverbunden, obwohl man weiß, dass im Nebenzimmer das eigene Kind sitzt oder man nur jemanden anrufen bräuchte. Was das Gefühl der Einsamkeit jedoch auch nicht verbessern würde.
- Man fühlt sich bedroht, und ist überzeugt von der Bedrohung. Obwohl gerade nichts los ist. Und das weiß man irgendwie, kann die Angst jedoch nicht regeln.
- Man hat das Gefühl gleich passiert etwas Schlimmes und schaut sich die ganze Zeit um, wo die Gefahr wohl herkommt. Und man erkennt evtl. sein überzogenes Verhalten, kann aber nichts ändern.
- Eine Dissoziation, die ich bei frühkindlichen Bindungsstörungen sehr oft erlebe ist die, dass man sich völlig orientierungslos in weißem Nebel stehend fühlt. Oder schwebt. Die Bedrohung ist hierbei die Haltlosigkeit und die Einsamkeit.
Die Liste ist endlos, da jeder seine Dissoziationen anders wahrnimmt. Manchmal sind sie verbildlicht, manchmal sind sie akustisch, manchmal haptisch. Weiteres im Blog Dissoziative Symptome. Auch der Körper spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle beim Thema Dissoziation. Einen Artikel hierzu Blog Körper und Dissoziation veröffentlicht.
Wie fühlt man sich in einer Dissoziation? ist also nicht so ganz einfach zu beantworten. Oft ist es hilfreich den Weg in eine Dissoziation wahrzunehmen.
Ein möglicher Ablauf einer Dissoziation:
Ich identifiziere den Trigger: Mein Partner droht aus dem Affekt heraus mit Auszug.
Mein Erregungspegel steigt unermesslich an: Ich kriege einen roten Kopf, ich werde wütend, mein Puls ist deutlich spürbar, ich werde unruhig und unkonzentriert.
Die nächsten zwei Tage fühle ich mich wie ein rohes Ei: Ich versuche besonders nett zu ihm zu sein, ich bin immer wieder kurz vor dem Weinen und weiß nicht warum, ich kann mich auf nichts konzentrieren. Ich bin immer in Hab-acht- Stellung, wenn mein Freund da ist. Ich erwarte Schlimmes. Das wäre dann der Dissoziative Zustand. Denn ein Teil von mir hat wohl eine Situation des Verlassen werden erlebt und den Schmerz und die Angst darunter noch nicht verarbeitet, sondern schön weg geschoben. Aber der Organismus merkt, die Affektaussage des Partners ist sehr nahe an dem was man erlebt hat.
Das wäre ein fiktives Beispiel, wie man sich den Dissoziationen nähern kann. Ist dieser Weg gemacht, kann der traumatische, bzw. belastete Anteil gut behandelt werden. Dazu muss ich sagen, er kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber immerhin kann man ihn integrieren. Man kann den Schmerz über das erste unverarbeitete Verlassen werden annehmen. Und damit den inneren Stress, der entsteht, reduzieren.
Das hilft.
Wirklich.
Das oben genannte Beispiel ist eines von Vielen. Es ist vor allem sinnvoll herauszufinden wann man dissoziiert. Dies gilt es in einem sicheren Setting herauszufinden.
Bei Interesse lesen Sie gerne die Zusammenhänge zwischen Trauma und Körper und folgen Sie dort den Annahmen zu Körper und Dissoziation.
Wie fühlt man sich in einer Dissoziation? sollte also keine Frage sein, die Ihnen Angst macht, sondern die Möglichkeit aufdecken, zu erkennen, was alles so in Ihnen steckt.
Herzlich
Christini Hönig
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