Aggression in der Beziehung

Aggression in der beziehung
In meinem heutigen Blog soll es um den Umgang mit Aggression in der Beziehung gehen. Kommt man aus einer schlecht gebundenen Herkunftsfamilie, hat man sicherlich wenig Erfahrung mit einem gesunden Umgang von Aggressionen. Dabei sind Gefühle wie Wut und Aggressivität ebenso normal, wie Gefühle von Trauer und Einsamkeit oder auch Freude.

Der Umgang mit Gefühlen ist oft ähnlich, wie Sie in dem eben genannten Blog lesen können.

Was ist nun das Besondere an Aggression in der Beziehung. Aggression ist ein Gefühl was erst einmal das Gegenüber sehr stark erreicht. Dazu ist es auch gedacht. Aggression entsteht, wenn mir etwas wichtig ist, was ich dem Anderen mitteilen möchte und es Denjenigen einfach nicht erreicht.

Ich finde die Betrachtung von Aggression in der Beziehung aus zweierlei Positionen notwendig. Einmal aus Sicht des Aggressors und einmal auch aus der Sicht des Aggression empfangenden.

Der Aggressor hat in dem Moment, indem er aggressiv wird das Problem, das er eigentlich aus einer Schwäche heraus agiert. Er fühlt sich nicht gehört. Seine Argumente werden vom Gegenüber nicht wahrgenommen. Kommt man aus einer emotional bindungsschwachen Familie, dann ist das eine Situation, in der man sich oft befunden hat. Eigene Bedürfnisse wurden nicht erkannt und auch nicht befriedigt. Es gab ein Ungleichgewicht zwischen dem, was man brauchte, um sich sicher zu fühlen und dem was einem an Mitteln zur Verfügung stand dies zu erreichen. Es Einzufordern, z. B. durch Schreien oder Fordern, war oft keine Möglichkeit. Es kam zu einem konstanten Gefühl der Ohnmacht. Die eigene Selbstwirksamkeit war nicht zu erreichen, ohne den Umweg zu machen, sich um andere kümmern zu müssen. Bindungsschwache Personen wirken oft äußerst sozial und hilfsbereit. Und werden aufgrund dieser inneren Haltung auch oft von anderen ausgenutzt.

Menschen, die schwach gebunden groß geworden sind oder ein Bindungstrauma erlitten haben, sehen sich oft in diesem inneren Konflikt. Sie sind auf der einen Seite wütend auf Menschen, die sich Ihnen nicht wohlgesonnen zuwenden. Können sich ihnen gegenüber aber auch nicht klar abgrenzen. Sie stecken fest in der Vorstellung angewiesen zu sein auf das Wohlwollen der Menschen um sie herum und als Umgang bietet sich ihnen nur, sich anzupassen um das Gegenüber davon zu überzeugen, das sie liebenswert seien.

Ein Beispiel hierzu: In einer Paarbeziehung kommt es zu Konflikten, die immer mal wieder auftauchen. Der Müll wird beispielsweise nicht regelmäßig rausgetragen. Und den einen stört es, wie immer, mehr als den anderen. Der Partner, den es stört, fängt an sich zu beschwere. Erst leise und vernünftig, dann immer lauter und deutlicher. Er hat eine klare Vorstellung, der Andere solle gefälligst auch mal den Müll raus tragen. Dieser macht es aus Angst davor einen aggressiven Ton in die Beziehung zu lassen. Und trägt den Müll raus. Und zwar immer, um es gar nicht mehr zu einem Konflikt kommen zu lassen. Das ist eine Methode. Nur führt die dazu, dass es zu einem Ungleichgewicht in der Aufgabenverteilung kommt. Langsam aber sicher hat er nämlich dann mehr und mehr Aufgaben zu tragen, um es nicht zu Aggression in der Beziehung kommen zu lassen.

Irgendwann kommt man an den Punkt sich seiner Konfliktfähigkeit stellen zu müssen. Man muss beginnen seine Aggression nach außen zu richten. Und man muss sich trauen, seinem Partner zu sagen, wie seine eigentliche Position zum Thema Müll rausbringen ist. Man muss also auch mal zum Aggressor werden. Und das dann auch noch, ohne seine schwache Bindung ins Spiek zu bringen, denn es geht ja nur darum, den Müll rauszubringen. Hier greift wieder der altbekannte Trick: Emotionen erst einmal nur fühlen, und nichts machen. Und sich dann überlegen, wie kann ich meine Position darstellen, so dass der Andere diese eventuell annehmen kann.

Die Schwierigkeit, die sich für einen bindungsschwachen Mensch darstellt, wenn er Aggressionen erfährt ist daher gefühlt oft eine ausweglose Situation. Er bestätigt sich gerade nicht liebenswert zu sein, gibt seinem Gegenüber Recht und kann sich nicht zur Wehr setzen, falls er eine andere Wahrnehmung hat, als der Aggressor. Die wahrgenommene Aggression wird wieder gegen sich selbst gerichtet, so wie er es in seiner Herkunftsfamilie gelernt hat. Meist dient das als Trigger. Das bedeutet er steckt schnell wieder in den Glaubenssätzen und Vorstellungen über den eigenen Wert, den die Herkunftsfamilie meist nicht in seinem Sinne geprägt hat. Welche Möglichkeiten hat man aus Aggressionen in der Beziehung seine eigene Position zu entdecken?

Fühlen sich die Argumente des Aggressors so an, als würde man nichts mehr sagen können, als hätte man keine Worte mehr, dann ist es alt. Dann steckt man schon mitten im Trigger. Man fühlt schon die alten Muster. Es bietet sich also an, Abstand zu generieren. Um dann aber nicht mehr nichts zu sagen, sondern um dran zu bleiben. Meist hat man eine Vorstellung von dem was man braucht. Also eventuell braucht man, dass das Gegenüber einlenkt und in der Lage ist seine Aggression einzugestehen. Oder man braucht das Gefühl, der Partner hätte verstanden, dass die eigene Meinung auch einen Wert habe. Dies kann man versuchen einzufordern.

Aggressionen in der Beziehung bleiben nicht aus. Sie gehören dazu und sie bieten eine Möglichkeit aus dem alten Korsett der bindungsarm geprägten Vorstellungen auszubrechen hin zu einem selbstüberzeugten Ich. Den Prozess Aggressionen in der Beziehung so zuzulassen, dass beide Parteien damit umgehen können und bestenfalls eine Streitkultur entwickeln, ist oft langwierig und anstrengend. Denn gefühlt steht immer die Beziehung auf dem Spiel. Es geht immer darum, die alten Glaubenssätze als solche zu identifizieren und ihnen die eigene Position entgegen zu bringen.

Es lohnt sich Aggressionen in der Beziehung näher zu betrachten, anstatt sie von vorne herein zu verteufeln.

Allerdings sollte sich jeder bewusst machen, wann er nicht mehr bereit ist weiterzugehen. Es ist wichtig eine eigene Grenze zu haben, an der man aus der Aggression geht. Und zwar für immer. Das sollte spätestens an dem Punkt erreicht sein, wo Aggressivität in der Beziehung zu Gewalt, zu Tätlichkeit wird.

Ich wünsche Ihnen Mut.

Herzlich
Christini Hönig