Unterschied zwischen Bindung und Beziehung

Unterschied zwischen Bindung und Beziehung
In diesem Blog möchte ich Ihnen die Unterschiede zwischen Bindung und Beziehung näher bringen und v. a. die Auswirkung auf eine Beziehung, wenn man beides miteinander verwechselt.

In meiner im März 2020 beginnenden psychotherapeutischen Jahresgruppe soll es darum gehen beide Merkmale voneinander unterscheiden zu können, um die Beziehungsführung zu verbessern. Menschen, die frühkindlich schwach gebunden groß geworden sind, wie wohl ca. 70% der Erwachsenen heutzutage, sehnen sich in einer Beziehung oft nach Bindung. 

Bindung bezieht sich auf eine tiefe Verbundenheit, die im frühen Kindesalter von den Bezugspersonen oft nonverbal hergestellt wird. Es geht darum, dass Eltern bei Ihren Kindern die aktuelle Bedürfnislage erahnen und diese erfüllen. Dies funktioniert gut, bei intuitiv mitschwingenden Eltern. Diese Bezugspersonen sind in der Lage zu erahnen, was ein Kind benötigt, ob es gerade müde ist oder gelangweilt, ob es Nähe braucht oder seine Ruhe. Bindungsfähige Eltern bemerken dies ganz automatisch und treffen die richtigen Entscheidungen für Ihr Kind.

Oft können Menschen, die dies in Ihrer Kindheit nicht erlebt haben und nach dem Prinzip :”Was mich nicht umbringt macht mich härter” groß geworden sind erstaunlich gut diese Bedürfnisse bei Ihren Kindern erahnen und sie auch erfüllen. Das ist richtig gut so. Scheinbar können sie erspüren, was sie selbst gebraucht hätten in früher Kindheit. Und es so ihren Kindern zur Verfügung stellen. Einen Haken hat das Ganze. Wenn Menschen, die schwach gebunden selbst Kinder haben, dann spüren sie die Bedürfnisse ihrer Kinder als schmerzhafte Resonanz in sich selbst. Als Gefühl: “Das Gefühl kenne ich und für mich wäre dies oder jenes gut gewesen”. Es kommt zu einem Übertragungsfehler. 

Mein Sohn brauchte zum Beispiel viel mehr Raum und Ruhe und viel weniger Nähe und Körperlichkeit, als ich es erwartet hätte, bzw. als für mich früher notwendig gewesen wäre. 

Ich musste mich also zügeln, um meinen Sohn mit seinen Bedürfnissen zu erkennen und mich und meinen alten Schmerz aus dem Spiel zu lassen. Hier beginnt der Unterschied zwischen Bindung und Beziehung.

Menschen, die frühkindlich schwach gebunden aufgewachsen sind, haben verschiedenen Arten ihre Bindungsschwäche zu kaschieren oder sie nicht fühlen, nicht integrieren zu wollen. Die unterschiedlichen Bindungsarten habe ich in folgenden Blogs näher erläutert. 

Lesen Sie zum Beispiel dazu den Blog ambivalente Beziehungsstörung oder auch den Artikel zu unsicher gebundenen Erwachsenen

Wichtig ist zu wissen wann man in seiner Beziehung die Sehnsucht nach Bindung versucht durchzusetzen oder sie zu unterdrücken und wann man auf einer Beziehungsebene agiert. 

Möchte man eigentlich, dass der eigene Partner auf bestimmte Belange mehr Rücksicht nimmt, und ist entweder nicht in der Lage, dies zu kommunizieren oder der Partner ist nicht in der Lage diese Bedürfnisse zu erfüllen (z. B. einer will mehr Nähe, als der Andere; einer möchte mehr Verständnis als der Andere), dann kommt es oft zur Verwechslung zwischen Bindung und Beziehung.

Der Unterschied zwischen Bindung und Beziehung liegt meines Erachtens in der Art und Weise, wie man als Erwachsener in der Lage ist zu agieren. Oder eben nicht. 

Kann ich meine Bedürfnisse nicht artikulieren, dann weiß mein gegenüber nicht, wo es dran ist. Es reagiert meist nach bestem Wissen und Gewissen. Und liegt oft in seinen reaktionen daneben. Das mag daran liegen, dass der Andere Teil der Beziehung nie gelernt hat seine Bedürfnisse adäquat zu äußern. Entweder gar nicht, oder zu laut oder zu dramatisch. Aber eben selten in einem richtigen Maß.

Oder aber es liegt daran, dass das Gegenüber die Bedürfnisse eben gerade nicht erfüllen kann. Sei es, weil er es zur Zeit nicht kann oder weil er es nicht will (weil es seine eigenen Bedürfnisse antriggert) oder weil er es nicht versteht, da er vermutlich andere Erfahrungen gemacht hat. 

Dann agiert einer auf einer frühkindlichen Ebene und möchte gerade Halt und er bekommt ihn nicht. Das tut weh. das tut so weh, wie es früher schon immer wehgetan hat. Es ist ein tiefer Schmerz, den man meisten versucht hat abzuwehren. Den man einfach nicht ertragen konnte als Kind, weil sich über diesen Schmerz so viele andere negativ Spiralen entwickeln haben. Die eigene Bindungsangst, die Ablehnung der eigenen Person. Schuldgefühle, die sich daraus entwickelt haben, nicht ok zu sein. Vermindertes Selbstwertgefühl, weil im kindlichen Narzissmus ja alles mit einem Selbst zu tun hat. 

All diese Dinge werden wieder aktiviert und fühlen sich an, als würden sie zur eigenen Beziehung gehören. Dabei gehören sie zur eigenen Bindung. Und tun weh. Immer noch.

Der Unterschied zwischen Bindung und Beziehung liegt also nicht daran, dass der Partner nicht stimmt, sondern, dass die eigene Haltung zu sich selbst nicht selbstständig oder nährend genug ist, um auch in der Lage zu sein in Durststrecken gut für sich zu sorgen. 

Wie erkenne ich also die Unterschiede zwischen Bindung und Beziehung?

Ganz frühe Bindungsprobleme führen im Erwachsenenalter oft zu einer inneren Unruhe, die nicht zuzuordnen ist. Es besteht nur erschwert die Möglichkeit sich selbst zu regulieren und sich zu beruhigen. Dies ist die erste Orientierungsreaktion im Bindungsverhalten; Orientierung indem man sich an der Ruhe eines Anderen selbst beruhigt. (Man wird auf den Arm genommen und gehalten)

Diese oft sehr körperliche Reaktion ist schwer auf gedanklicher Ebene zu beeinflussen. Es macht oft mehr Sinn diese körperlich aufzufangen. Dies soll ein Schwerpunkt in meiner psychotherapeutischen Gruppe sein. 

Ein weiteres Symptom ist die falsche Interpretation von Gefühlen. Wenn also der Schmerz, der durch eine frühkindliche Ablehnung entstanden ist auftaucht, dann wird dieser oft ursächlich dem Partner zugeschrieben. Also, der Partner ist Schuld an meinen schlechten Gefühlen. Das stimmt nur bedingt. Denn der Partner hat ja seine Gründe sich so zu verhalten, wie er sich verhalten möchte. Entweder springt sein eigener Schmerz durch oder er kommt emotional einfach nicht mit. Es gibt oft viel zu viele unterschiedliche Gründe, die man erst im Lauf der Zeit erkennen lernt, warum sich ein Partner so verhält, wie er sich verhält. Auch hier gibt es mehr Informationen im Blog Umgang mit Gefühlen

Wenn ich aber immer den Partner für meine schlechten Gefühle verantwortlich mache, dann schiebe ich meinen eigenen Schmerz von mir, ich suche mir ständig einen Sündenbock, der meinen Schmerz tragen soll. Das ist verständlich, wenn der eigenen Schmerz noch sehr groß ist, aber es führt in eine Sackgasse, denn kein Partner wird sich über kurz oder lang dafür zur Verfügung stellen. Dieses Verhalten ruiniert eine Beziehung zusehends. 

Die gedanklichen Zuschreibungen, die dadurch entstehen sind ja förmlich greifbar oder?

Auch diese dienen der eigenen Abwehr. Alles was ich als Kind versucht habe versuche ich im Erwachsenenalter weiterzumachen. Ich will den Schmerz, den alten Bindungsschmerz einfach nicht fühlen. Ich tue alles, um ihn weghaben zu wollen. Auch hier lesen Sie gerne mehr im Artikel Ich fühle nichts mehr”

Wenn das so einfach wäre.

Meines Erachtens geht es nur, wenn man seinen Schmerz integriert. Ja, wenn man dem Anderen verzeiht, dass er einen dort berühren darf, wo es immer wieder fürchterlich weh tut. Mehr dazu unter Bindungstrauma heilen.

Das verlangt eigene Reflektion und Reifeprozesse, die ich in der in 2020 startenden Gruppe ermöglichen möchte. Ich möchte Ihnen zeigen, dass man die eigene Bindungslosigkeit nur durch Beziehungen aufarbeiten kann. Und dazu gehört, dass man den Unterschied zwischen Bindung und Beziehung erkennt.

Vielleicht wollen Sie ja dabei sein.

Herzlich

Christini Hönig