Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen

Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen

Eine Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen gilt es spezifisch zu betrachten. Es ist nicht nur die eine Art und Weise, wie ein Trauma entsteht. Auch der Zeitpunkt der Traumatisierung spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Als Faustregel lässt sich bestimmt sagen, je früher ein Trauma beginnt, bzw. stattfindet umso globaler sind seine Auswirkungen.

Beginnen wir erst einmal mit der Art der Traumatisierung. Es gibt Traumatisierungen, die eine einmalige Sache sind. Es gibt ein Geschehen, dass beginnt und endet und das Kind unter einen ganz großen Stress setzt. Z. B. erlebt es als Beifahrer einen Autounfall. Jetzt gilt es zu schauen, wie alt das Kind ist. In welcher Entwicklungsphase es steckt und in was für einem Umfeld es lebt.

Haben wir also ein sechs Monate altes Baby, das gerade dabei ist das Robben zu entwickeln und es sitzt gut gesichert im Auto seiner Mutter, die einen Autounfall hat. Die Mutter erleidet ein Schleudertrauma und kann sich vier Wochen nicht gut bewegen.  Sie bleibt aber in einem guten Bindungsverhältnis zu ihrem Kind. Dann könnte die Traumatisierung und ihre Folgen sein, dass das  Kind kurzfristig seine motorische Entwicklung verlangsamt, eine Angstreaktion im Auto zeigt oder ähnliches. Bleibt die Mutter in einer guten Beziehung zu ihrem Kind, dann überwinden beide den Schreck, nach und nach setzt eine Entspannung ein und Mutter und Kind gehen ihren Weg und ihre normale Entwicklung zusammen weiter.

Ähnlich kann es aussehen, wenn das Kind älter ist. Oder wenn die Unfallschäden der Mutter anders sind. Trennungsgründe sind hierbei  schwerer zu gewichten, wenn aber die frühkindliche Bindung gut aufgebaut ist oder mehrere Bindungspersonen zur Verfügung stehen, dann ist für ein Kind solch ein Trauma zu verwinden.

Bleiben Langzeitschädigungen bei der Mutter ist dies schon wieder anders zu sehen. Kommt z. B. die Mutter nach längerer Abwesenheit in ihrer Persönlichkeit stark verändert wieder zum Kind, so ändert sich die bisher bekannte Bindung und es entsteht eine Unsicherheit auf Seiten des Kindes. Das Trauma lässt sich nicht auflösen, es bleibt etwas zurück, was unentwegt an den Unfall, an das Trauma erinnert. Dieser Punkt triggert immer wieder aufs Neue die Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen könnten sich an diesem Punkt fest zu setzen beginnen.

Wie Sie sehen, rutschen die längerfristigen Symptome weg vom eigentlichen Autounfall und hin zu Folgen, die auf der Beziehungsebene liegen.

Ist ein Kind durch einen Unfall selbst körperlich geschädigt, dann ändert sich wiederrum das ganze Szenario. Auch hier gilt es fest zu stellen an welchem Entwicklungspunkt die Traumatisierung stattfindet und welchen Aspekt sie beeinträchtigt. Diesen gilt es dann so gut es geht aufzufangen, bzw. zu unterstützen.

Diese Arten der Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen sind nicht schön, aber für mein Gefühl übersichtlich, da das Trauma ein Anfang und ein Ende hat und es so zu sagen einen punktuellen Einfluss auf einen Menschen hat.

Anders sehe ich die Traumatisierungen, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstrecken. Sie umfassen mehrere Entwicklungsstufen und bieten erst einmal keine Möglichkeit aufgefangen zu werden, da sich das Kind unter dem ständigen Einfluss der traumatisierenden Situation befindet.

Zum Beispiel wird ein Kind vernachlässigt. Ein Kind erlebt von Anbeginn seines Lebens einen Umgang, der nicht seinen Bedürfnissen und seinen Entwicklungsaufgaben entspricht. Sondern es erlebt von Beginn seines Lebens Unachtsamkeit und fehlenden Schutz. Diese Vernachlässigung besteht nicht nur Auszugsweise über zwei Wochen, sondern besteht sein Leben lang. Es erlebt also keine Geborgenheit, keinen Schutz, keine Achtung, keinen Respekt. Es erlebt keine eigene Wichtigkeit und all seine Entwicklungsschritte muss es unter diesen Voraussetzungen tun.

Dies ist eine Art der frühkindlichen Traumatisierung, die oft sehr viel versteckter passiert, als das o. g. Monotrauma. Solch eine Vernachlässigung entsteht ja meistens aus einem Elternhaus heraus, in dem die Missstände nicht verändert werden können oder wollen. Meist wollen die Missstände aber auch vertuscht werden. Denn Vernachlässigung gibt es v. a. auf emotionaler Ebene häufig.

Entsteht eine Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen auf diese Weise, dann lernt ein Kind schnellstmöglich Strategien, den entstehenden Stress zu bewältigen. Es entwickelt schon aufgrund eines geschädigten Bindungsverhaltens Mechanismen, die es ihm erlauben, seinen eigenen Stress auf die ihm mögliche Art und Weise zu kombinieren. Lesen Sie hierzu auch Bindung und Beziehung.

Kinder die von Anbeginn ihrer Geburt unter solch einem Stress gestanden haben entwickeln die bemerkenswertesten Möglichkeiten zu überleben. So drastisch muss ich es an dieser Stelle schreiben, denn so intensiv ist die Bedrohung, die auf Kleinstkinder wirkt.

Was machen diese Kinder?

Es gibt die unterschiedlichsten Verhaltensweisen, die Kinder, entsprechend ihrer Konstitution entwickeln. Manche werde so pflegeleicht, wie sie nur können oder sie werden der „Sonnenschein“. Manche entwickeln genau das Gegenteil und schreien oder verweigern die Beziehung. Manche werden ganz aktiv oder fokussieren sich auf nur einen Entwicklungsauftrag und den machen sie perfekt. Manche werden sehr schwierige und auffällige Kleinstkinder. Da die Traumatisierung so früh ist, ist die Reaktion der Kinder in der Regel sehr global, also auf ganz vielen Ebenen sichtbar. Das macht es aber auch so schwer sie zu sehen, denn es fehlt eine Systematik. Und die Reaktionen sind nicht klar zuzuordnen.

Was aber alle Kinder gemeinsam haben ist der Stress unter dem sie die ganze Zeit stehen. Und den sie über ihr Verhalten zu regulieren versuchen. Es hat sich gezeigt, dass Kinder mit solch einer Traumatisierung eine schlechtere Konzentration entwickeln, stressanfälliger werden, zu psychosomatischen Reaktionen tendieren. Diese Kinder zeigen ein schwächeres Sozialverhalten und eine geringere Empathie.

Damit zeigt sich, dass sich die Folgen einer solchen Traumatisierung potenzieren können, wenn sie nicht erkannt werden und wenn nicht adäquat mit ihnen umgegangen wird.

Eine Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen ist meist ein Gemisch aus sehr frühen Erlebnissen und der Auswirkung des daraus entwickelten Handlungsrepertoires, was sich meist in der Lebensgeschichte eines Menschen wiederspiegelt. So höre ich dann immer wieder; “Ich habe nie dazu gehört“, „Ich war immer ein Außenseiter“. Oder „Mein Leben ist schon immer sehr kompliziert gewesen, nie war einmal etwas leicht“.

Außerdem hat der frühkindliche Stress oft starke Auswirkungen im Erwachsenenalter. Man ist nicht nur stressanfälliger wenn es um Situationen geht, die an das Trauma erinnern. Und da es sehr global erinnert wird, ist man eben auch global stressanfälliger. Der Körper reagiert oft mit Einschränkungen, die klassisch medizinisch nicht einzuordnen, bzw. zu erklären sind. Denn er hängt so oft in Adrenalin gesteuerten Prozessen, dass ein Umgang mit frühkindlich ausgelöstem Stress unabdingbar ist. Dieser frühkindlich ausgelöste Stress ist jedoch nicht mit rational ausgerichteten Methoden zu beeinflussen.

Meines Erachtens ist es wichtig sich dem Stress zuzuwenden, um zu erkennen an welchen Entwicklungspunkten er entstanden ist. Klärt sich der Entstehungspunkt kann man eine Nachreifung der Entwicklung in Gang setzen. Man kann beginnen das Ganze, in Aufruhr versetzte System, adäquat zu beruhigen und sich auf seine Ressourcen zu verlassen und diese weiter zu entwickeln.

Denn auch wenn es sich unüberwindbar anfühlen kann, so ist allein die Möglichkeit sich Hilfe gesucht zu haben, Beweis genug dafür, dass der Mensch mit seinem Trauma in der Kindheit und ihren Folgen in der Lage ist eine Lösung zu finden.

Die Methoden, die gegen die große Erregung des gesamten Menschen wirken sind oft vergleichsweise einfach. Es geht meist nur darum sich selbst, mit allen dazugehörigen Anteilen zu akzeptieren. Der Trick ist, das was einen so früh so verletzt hat, anzunehmen und nicht wegtrainieren zu wollen, oder nicht wahrhaben zu wollen.

Eine Traumatisierung in der Kindheit und ihre Folgen bleibt ein unschönes Erlebnis, dass zu früh einen Menschen überfordert hat. Diese Überforderung gilt es zu würdigen und dann reifere Methoden im Umgang mit sich selbst zu entwickeln.

Auch mit einer Traumatisierung in der Kindheit und ihren Folgen kann man erfüllt leben.

Herzlich

Christini Hönig