Trauma und Dissoziation

Trauma und Dissoziation

Der Zusammenhang zwischen Trauma und Dissoziation ist heute zumindest im Vokabular ein ständig auftauchender Begriff. Ich möchte den Zusammenhang, bzw. die Entstehung von Dissoziationen unter einem Trauma heute näher erklären. Ein Mensch, der ein Trauma erlebt ist unter Einfluss des Traumas enormem Stress ausgesetzt. Der Körper, der Geist, die Seele werden von einer Menge an Reizen geflutet, die nicht zu bewältigen sind. Passiert dies in der frühen Entwicklung eines Menschen wird die bewusste Wahrnehmung des eigenen Seins nicht hergestellt.

Was ist benötigt, um dies herzustellen? Ein Kind benötigt eine gute Bindung, Rhythmen und Wiederholungen und eine angemessene Versorgung. Ist dies gewährleistet können all die kleinen alltäglichen Erfahrungen aneinandergereiht werden und zu einem zusammengesetzten Bild verschmelzen. Es kann eine zeitliche, räumliche und örtliche Orientierung entstehen und Kinder können immer mehr die Zusammenhänge im Leben erkennen. Dazu werden Nervenbahnen gebildet, die das Großhirn mit tiefer liegenden Hirnarealen verbindet. Dadurch wird es möglich sich selbst aus einer Beobachterposition heraus Bericht zu erstatten. Diese Verarbeitung findet in einem ausgewogenen Zustand Tag und Nacht statt, es werden Inhalte, die einfach keinen Sinn machen aussortiert, um die Welt als so zusammenhängend wie möglich zu erleben.

Was ist nun der Zusammenhang zwischen Trauma und Dissoziation?

Im Falle von Bedrohung oder massiver Überforderung (Trauma) kann das bewusste, vernünftige Denken von den tiefen Hirnstrukturen (die viel reflektorischer reagieren) abgekoppelt werden, so dass sehr schnelle und lebenserhaltene Maßnahmen ergriffen werden können, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Ein Beispiel: Ich laufe gedankenverloren durch den Straßenverkehr.  Da ich die Strecke gut kenne brauche ich wenig Aufmerksamkeit dazu. Und plötzlich überfährt ein Autofahrer den Zebrastreifen, ohne anzuhalten. Ich kann ohne Nachzudenken zurückschrecken und bin in der Lage ganz reflexhaft stehen zu bleiben. Hinterher merke ich, dass ich meine Reaktion nicht überdacht, sondern einfach nur reagiert habe. Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie die ganze Situation stattgefunden hat. Dies wäre ein Beispiel einer sehr alltäglichen Dissoziation.

Sie sehen, wie groß der Nutzen ist, dissoziieren zu können. Man kann schnell lebenserhaltene Maßnahmen ergreifen. Dies ist mir wichtig für den Zusammenhang von Trauma und Dissoziation.

Erfährt man nun ein Trauma, kommt der Organismus in beträchtlichen Stress. Es geschehen Dinge, die in den ganz normalen Alltag nicht einzuordnen sind, diese werden nicht mit der bewussten Wahrnehmung verbunden, sie werden zwar gespeichert, können aber nicht mehr abgerufen werden. Zumindest nicht im zeitlichen und räumlichen Erleben. Es entsteht ein Spaltung der eignen Wahrnehmung. Es kann also sein, dass man sich sehr unter Spannung fühlt und man sich am liebsten in Sicherheit bringen möchte, nach außen hin aber nichts davon zeigt. Oder das man nach außen hin ganz hibbelig und nervös erscheint, sich aber bewusst nicht nervös fühlt.

Trauma und Dissoziation meint zuallererst das unter einer überfordernden Situation eine Trennung zwischen dem bewusstem Zugriff auf die übergeordnete Steuerzentrale des Gehirns und den tiefer gelegenen Strukturen des Gehirns, die eine Integration von Raum und Zeit herstellen, eine Trennung stattfindet. Der Organismus bleibt stecken innerlich stecken in der bedrohlichen Situation, denn es kann bewusst nicht wahrgenommen werden, dass es „vorbei“ ist (die zeitliche Wahrnehmung  kann ja bewusst nicht erreicht werden).

Entsteht eine Dissoziation durch ein Trauma, können sie in unterschiedlichen Ausprägungen entstehen. Sie entscheiden sich von der Alltagsdissoziation dadurch, dass sie struktureller, also tiefgreifender sind. Der dissoziierende Mensch ist bei allen Formen jedoch bemüht, seine Alltagstauglichkeit aufrecht zu erhalten. Man merkt wohl, dass irgendetwas los ist, aber es richtet sich auch wieder.

Man unterscheidet drei Arten. Fangen wir mit der leichtesten Form der Dissoziation an.

Primäre strukturelle Dissoziation:

In einer traumatisierenden Situation wird ein Teil nicht verarbeitet und agiert versprengt im Organismus. Das heißt, kommt ein Mensch in eine ähnliche Situation, wird der Mensch wieder in den emotionalen Zustand versetzt der nicht verarbeitet wurde. Das nennt man auch Trigger. Ein Bekannter von mir bekam als Kind immer mal wieder eine Ohrfeige, wenn man neben ihm stand und eine Hand hob, weil man jemandem zuwinken wollte, dann zuckte er zurück und nahm sofort Abstand zu einem ein.

Sekundäre strukturelle Dissoziation:

Ist eine traumatisierende Situation so stark, dass sogar die Notfallreaktionen unterbunden werden und sich ein Mensch so ohnmächtig fühlt, dass er sich eher totstellt, entstehen sekundäre strukturelle Dissoziationen. Es entsteht ein Teil, der wie körperlos wird und sich das Geschehen von außen betrachtet. Ein Teil entsteht, der mit dem Körper verbunden bleibt. Beide Teile können durch Auslöser angetriggert werden, sie sehen nur unterschiedlich aus. Der körpernahe Anteil wird irgendwie eine Erregung zeigen und flüchten wollen. Der körperferne Anteil wirkt eher apathisch, wie weggetreten.

Tertiäre strukturelle Dissoziation:

Ist eine traumatisierende Situation wiederrum so stark, dass ein Mensch sich auch durch einen Totstellreflex nicht in Sicherheit wägen kann, kann es dazu kommen, dass sich verschiedene Funktionen zu bestimmten Personen zuordnen. Das bedeutet, es gibt z. B.  einen funktionierenden Zustand, der sich um die Versorgung des Körpers kümmert, der aber nicht in der Lage wäre zu arbeiten. Dies wiederum übernimmt dann ein anderer funktionierender Anteil der Persönlichkeit. Diese Anteile haben meist keine traumatischen Erinnerungen, da sie ja für die Aufrechterhaltung der Funktion zuständig sind.

Diese strukturellen Dissoziationen entstehen nur wenn gravierende Einschnitte auf die Verarbeitungs- und Integrationsfähigkeit eines Menschen eingewirkt haben. Dabei gilt, je jünger ein Mensch war desto schwerer sind die strukturellen Auswirkungen einer Dissoziation.

Wie Sie sehen gehören Trauma und Dissoziation zusammen. Und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass Dissoziationen eine gute Sache sind, um mit dem erlebten Trauma klarzukommen. Solange sie den Alltag nicht stören, helfen sie und unterstützen in ihrer Art und Weise das Überleben.

Dissoziationen können lange unentdeckt bleiben, da sie ja erst bei einem Auslöser anspringen. Dann ist es günstig sich mit Trauma und Dissoziation auseinander zu setzen und möglicherweise eine Integration des Erlebten zu schaffen.

Herzlich

Christini Hönig