Unsicher gebundene Erwachsene

unsicher gebundene Erwachsene

Unsicher gebundene Erwachsene haben vor allem in Beziehungen die eine oder andere Herausforderung zu meistern.

Ist man als Kind nicht gut gebunden, so beginnt man schnell Kompensationsmöglichkeiten aufzubauen, um den großen Stress, den man frühkindlich erlebt, regulieren zu lernen. In meinem letzten Blog Bindung und Beziehung habe ich ausführlich darüber geschrieben.

Wie geht es aber jetzt im Erwachsenenalter weiter?

Denn oft ist einem Erwachsenen nicht klar, dass er frühkindlich nicht gut gebunden war. Viele Menschen, die zu mir kommen gehen davon aus, dass früher alles normal war. Denn es gab keine offensichtlichen Schwierigkeiten in der Familie. Die meisten nehmen ihre Kindheit als unspektakulär wahr. Wenn es aber um Beziehungen geht, dann wird mir oft berichtet, dass sie keine Beziehung länger aushalten, oder dass immer die anderen am Scheitern der Beziehung Schuld sind. Oft wird aber auch der Partner stilisiert und ist in seiner Rolle der perfekte Unterstützer.

Man muss sich klar machen, dass unsicher gebundene Erwachsene eine Beziehung nie als Ort der Unterstützung, oder des Vertrauens erlebt haben. Sondern Beziehungen vor Allem ein Punkt ist, an dem innerer Stress entsteht, der alleine durch die Beziehung selbst ausgelöst wird. Damit will ich sagen, es hängt auch erst mal nicht mit dem Partner zusammen, sondern alleine damit, in einer nahen Beziehung zu sein.

Unsicher gebundene Erwachsene zeigen die unterschiedlichsten Formen diesen inneren Stress zu reduzieren. Je nachdem was sie auf dem Weg ins Beziehungsleben gelernt haben. Von plötzlichem Beziehungsabbruch bis hin zu anklammerndem Verhalten ist alles möglich. Hat ein Kind früh erlebt, dass seine Mutter nicht kontinuierlich in der Lage ist auf die Bedürfnisse einzugehen, dann nimmt ein Kind solch ein Verhalten in sein Beziehungsmuster auf. Die Mutter war evtl. nicht in der Lage Nähe und Distanz achtsam zu regeln, sondern hat bis zur Selbstaufgabe alles dem Kind zur Verfügung gestellt und ist dann innerlich zusammengebrochen und hat ihre Unterversorgung dem Kind zum Vorwurf gemacht. „Du bist immer so anstrengend“ können Sätze sein, die dieses Kind oft gehört hat.

Was aber ebenso wichtig ist, wie das Gesagte ist das Erlebte. Wenn die Mutter daraufhin nicht mehr in der Lage ist zu reagieren, dann lernt ein Kind, dass es normal ist sich in einer Beziehung nicht zugehörig zu fühlen. Durch das Gesagte lernt es eventuell ebenso sich sehr zurück zu nehmen und seine eigenen Bedürfnisse  in den Hintergrund zu schieben. Das ist eine Reaktion, die gesellschaftlich sehr gewünscht ist. Ein braves Kind ist eines das man nicht hört und sieht. Solche Einstellungen sind gar nicht so veraltet wie man meinen möchte. Diese Haltung kann man also lange aufrechterhalten. Wenn ich mich nur zurücknehme in Beziehungen, dann bin ich erwünscht. Stellen Sie sich vor, dass jemand mit solch einer unbewussten Überzeugung verliebt. Und den Wunsch nach einer Beziehung hat, so wie jeder Andere auch.

Was passiert dann?

Vor allem kommt dieser Mensch mit solch einer Einstellung innerhalb der Beziehung ganz schnell an seine Grenzen. Er kann nicht für sich Einstehen, kann seine Bedürfnisse nicht erahnen, bzw. sie in Worte fassen. Er nimmt sich zurück, bis zur Selbstaufgabe und was passiert dann?

Ganz klar, er kopiert das Verhalten, welches er frühkindlich bei seiner Mutter erlebt hat und geht aus dem Kontakt. Er ist emotional nicht mehr erreichbar und hat erst einmal wieder Ruhe um den Stress zu reduzieren, der sich vorher so stark in ihm aufgebaut hat. Er selbst kriegt davon vermutlich nicht so viel mit. Was er aber merkt ist dass sein Umfeld, sein Partner, wahrscheinlich verstört reagiert. Denn der weiß ja gar nicht was gerade los ist. Und nun wird der unsicher gebundene Erwachsene sichtbar.

Diese Momente sind in einer Beziehung immens wichtig. Sie kommen so oder so zu Tage. Aber meist sollen sie verschwinden, denn sie bringen Unruhe und Spannungen mit sich. Aber sie geben auch immer die Möglichkeit sich selbst zu hinterfragen. Und die eigene Einstellung zu Beziehung spürbar werden zu lassen. Damit entstehen dann auch Veränderungsmöglichkeiten.

Ich gebe zu der Anfang ist nicht so ganz einfach, denn es heißt sich mit den frühen Verletzungen auseinander zu setzen. Und die Welt, so wie man sie sich aufgebaut hat umzubauen. Unsicher gebundene Erwachsene müssen sich einmal mit ihrer Abwehr beschäftigen. Denn meist ist es so, dass Verhaltensweisen dazu dienen, alten Schmerz zu vermeiden. Und genau das geht dann nicht mehr. Oft ist das der Punkt, wo körperliche Symptome entstehen, die man in der Kindheit schon hatte. Die Psoriasis wird wieder schlechter. Das Asthma aus der Jugend kommt wieder. Oder die Migräne, die man in den letzten Jahren hatte flammt wieder auf, aus Gründen, die man gar nicht verstehen kann. Auch hierzu können Sie unter dem Blog Psychosomatische Beschwerden mehr nachlesen.

Unsicher gebundenen Erwachsenen haben Erfahrungen der Zurückweisung in sehr frühen Lebensjahren gemacht. Diese kann ein kleines Kind nicht emotional verarbeiten, dafür ist es schlicht und ergreifend zu jung. Und die Hilfe zur Verarbeitung hat es nicht bekommen, was ja genau das Problem an der Sache ist. Meistens bleibt Kindern wenig anderes übrig als diese Verletzung zu Verkörpern und krank zu werden oder sie abzuspalten und zu „vergessen“. Begeben sich unsicher gebundene Erwachsene in eine Beziehung, dann werden diese Verletzungen sichtbar und können gefühlt und wieder in den Mensch integriert werden.

Wie Sie sehen bin ich ein großer Fürsprecher für Beziehungen. Denn ohne sie kann man sich selbst nur schwer als unsicher gebundener Erwachsener identifizieren. Und vor Allem kann man keine neue Erfahrung in einer engen Beziehung erleben.

Unsicher gebundene Erwachsene sind gar nicht so selten. Wie dies zustande kommt lesen Sie bitte in meinem Blog emotionale Bindungsstörung oder Bindungstrauma nach.

Meiner Meinung nach ist es fast ein Thema einer ganzen Generation und diese Generation ist es eine Aufgabe die alten Verletzungen anzunehmen und einen Umgang mit ihnen zu finden. Statt sie einfach beiseite zu schieben. Ich bin auch überzeugt, dass sich die überall auftauchenden Stresserkrankungen auf eine fehlende frühe Stressregulation zurückführen lassen. Sicherich nicht alle, aber meines Erachtens die meisten. Unsicher gebundene Erwachsene haben die Chance diese Regulation neu zu erlernen.

Herzlich

Christini Hönig