Trauma und Körper

Trauma und Körper
Im Jahr 2018 möchte ich mich in meinen Blogs hauptsächlich dem Zusammenhang zwischen Trauma und Körper widmen. Nachdem ich im letzten Jahr viel Allgemeines zu Traumatisierungen, Bindungsstörungen und Methoden der Behandlung geschrieben habe soll es nun konkreter um den Zusammenhang zwischen Trauma und Körper gehen.

Körperorientierte Psychotherapie ist auf dem Vormarsch, da es sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, wie wichtig es ist den Körper ins Behandlungskonzept mit einzubeziehen. Dabei spielt die Behandlung von Traumatas eine große Rolle. Denn diese sind im Körper gespeichert. Wer ein Trauma erlebt hat, hat auch körperliche Reaktionen erlebt, die nicht der körperlichen Norm entsprechen. Es ist ja bekannt, dass unter einem traumatischen Einfluss der Körper ca. 15% mehr Kraft entwickeln kann, als seine eigentliche Maximalkraft. Das bedeutet in Ausnahmesituationen entwickelt der Mensch Bärenkräfte. Trauma und Körper sind unweigerlich dadurch miteinander verbunden.

Allerdings passiert es wesentlich öfter, dass körperliche Reaktionen innerhalb einer traumatischen Situation unterdrückt werden. Wenn man also z. B. einen Unfall hat und sich um Polizei, Arzt o. ä. kümmern muss. Nach ein paar Tagen Ruhe dann den Versicherungskram abwickelt, bleibt wenig Zeit für Achtsamkeit nach innen. Oftmals ist es auch nicht nötig, denn ein zu bewältigendes Trauma löst sich körperlich auch schnell wieder auf. Spannungen verschwinden, Schmerzen gehen weg, Wunden heilen.

Ist ein Trauma jedoch tiefer, als vorerst angenommen, dann beginnt der Körper Signale zu senden. Nicht immer indem er Schmerzen beibehält. Oftmals bleibt nur ein körperlich „unrundes“ Gefühl zurück. Irgendetwas ist noch nicht so, wie vorher. Aber es ist nicht immer genau zu beschreiben oder zu lokalisieren. Es ist v. a. auch nicht immer zu behandeln. Hier muss man die ersten Unterscheidungen treffen.

Ist das, was da zurückbleibt,  direkt auf das letzte Trauma zurückzuführen, oder ist es ein Hinweis auf eine frühere Begebenheit, die durch das letzte Trauma nur angetriggert wurde. Ein Beispiel, wie differenziert der Körper Symptome generiert, die durch ein einzelnes Trauma ausgelöst wurden.

Eine Klientin kam mit Schulterschmerzen nach einem Fahrradunfall. Sie ist leicht touchiert worden und gestürzt. Die Schulter hat einen Schlag abbekommen und ist seitdem nicht mehr gefühlt stabil. Es gibt keine Schmerzen aber ein wages Gefühl der Unsicherheit in der Schulter.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen Trauma und Körper. Nur welcher?

Die Klientin berichtet erst einmal über den Schrecke des Unfalles an sich, der sie aber nicht sehr belastet hat. Ihr ist nichts weiter passiert. Sie hatte keine Einschränkungen. Erst auf die Nachfrage, wann sie denn schon einmal Schwierigkeiten mit der Schulter hatte, berichtet sie darüber, dass sie als junge Frau immer die Schulter hochgezogen habe und dies beim Sport kritisiert wurde. Es war auch immer nur die Schulter, die auch jetzt betroffen war. Das Gefühl, was sie dabei hatte, sei immer eine Art Abwehrhaltung gewesen. Sie war zu der Zeit körperlich unsicher und die hochgezogene Schulter war so eine Art Sicherheit. Im Prozess der Behandlung sind wir von der körperlichen Unsicherheit jetzt also bei einer Schutzhaltung angelangt.

Wovor sie sich hat schützen müssen blieb lange etwas unklar. Es wurde aber ein Bezug zum Hals deutlich. Denn dort sollte der Schutz hin.

Sie merken, dass wir Trauma und Körper immer näher zusammenrücken lassen. Und das eigentliche Trauma, nämlich der Fahrradunfall gar keine Rolle mehr spielt. Es zeigte sich sehr schnell, dass die Schulter eine andere Information gespeichert hatte, die dann auch zu Tage trat.

Irgendwann kamen wir auf die Schilddrüse die nicht richtig funktionierte, und auf den Ausdruck von Wut und Ohnmacht. Der quasi nicht vorhanden war, bzw. Wenn er sich äußerte dann in Selbstentwertung und Selbstvorwürfen. Wut und Ohnmacht waren so sehr angstbesetzt, das die Klientin sich nicht getraut hätte, diesen emotionalen Qualitäten Ausdruck zu verleihen.  Die Angst ist noch früher entstanden, als die hochgezogene Schulter. Es stellte sich heraus, dass die Klientin eine „schutzlose“ Kindheit erlebt hat. Sie war früh auf sich alleine gestellt und hat wenig Unterstützung erfahren. Gerade in Situationen, in denen sie familiären Rückhalt benötigt hätte, hat sie Kritik und die Solidarisierung ihrer schwachen Mutter mit dem jeweils aggressiveren Gegenüber erlebt.

Nach einer sehr emotionalen Stunde, in der sie diese Zusammenhänge hat nachfühlen können, konnte sie das erste Mal ihre rechte Schulter entspannt fallen lassen. Sie hängen lassen. Aus der „Hab acht Stellung“ raustreten in eine Position, die mit mehr Vertrauen gefüllt war.

Seit her nutzt sie die Spannung ihrer rechten Schulter als Indikator für ihre innere Haltung. Und hat gelernt, ihren Erregungspegel wahrzunehmen und diesen zu regulieren.

Das Beispiel zeigt ganz anschaulich, wie eine immer wieder kehrende körperliche Symptomatik emotionale Ladung gespeichert hat und diese dem bewussten erleben nicht zugänglich macht. Die körperliche Symptomatik weist eher auf alte, unbewusste Prozesse hin. Der Körper schützt sich indem er Spannungen oder Pathologien entwickelt. Und manchmal vergessen wir ihm glaubwürdig  zu sagen, dass die Gefahr längst vorbei ist und dass er sich wieder entspannen darf.

Oft geht das auch nicht, weil dann das darunter liegende Gefühl aufgeht. Und solange das abgewehrt wird, muss der Körper eben die Last tragen.

Trauma und Körper können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Daher bin ich der Meinung, dass sie unbedingt auch zusammen behandelt werden müssen. Eine Traumatherapie ohne körperlichen Bezug kann nur einen Teil des Traumas verarbeiten.

Sollten Sie also das nächste Mal Symptome entwickeln, die sie an sich schon lange kennen, fragen Sie sich doch einmal, womit diese „geladen“ sein könnten. So können Sie sich selbst ein Bild von ihrem Trauma und Körper machen.

Herzlich

Christini Hönig