Körper und Dissoziation

Körper und Dissoziation

Heute möchte ich den Zusammenhang zwischen Körper und Dissoziation näher beschreiben. In einem meiner letzten Blogs ging es um Trauma und Dissoziation, dabei spielt der Körper eine wichtige Rolle.

In einer sekundären strukturellen Dissoziation fühlt sich ein Mensch in einer Ausnahmesituation so ohnmächtig, dass er sogar seine Fluchtreflexe unterdrückt. Er stellt sich tot. Dabei entsteht ein Teil der körperlos wird. Oft wird das geschildert als einen Zustand in dem man sich von oben sähe. Und es gibt einen Teil, der mit dem Körper verbunden bleibt. (Weitere Begriffserläuterungen zur Dissoziation finden Sie im o. g. Link.)

Um diesen Teil dreht es sich heute.

Ein Beispiel: Ein Klient schildert mir, dass plötzlich körperliche Reaktionen auftauchen, die nicht in den alltäglichen Hintergrund einzuordnen sind. Die Symptome können hierbei vielfältig sein. Sie entstehen meist rasch und sind nicht so leicht zu beeinflussen. Ein hartnäckiger Schupfen, ohne Kälteeinfluss und ohne Herbstzeit. Eine schmerzende Hüfte, die vorher noch keine Schwierigkeiten gemacht hat und die ansonsten ohne Befund ist. Eine plötzlich auftretende Allergie, Bluthochdruck, Herzrasen, Verdauungsbeschwerden…

Ein häufiges Anzeichen, dass es sich um den Körperanteil einer Dissoziation handelt, ist der unerklärlich tief sitzende Stress der damit einhergeht. Meist ist das Körpergefühl verbunden mit einer diffusen Angst. Gerade heute rief mich eine Dame an, die mir schilderte, dass sie sich bei ihrer Erkältung fühle als müsse sie sterben. Der Verstand weiß natürlich irgendwie, dass dies überzogen ist, aber der ganze Körper ist wie überflutet von den Körpersymptomen und dieser komischen tiefen diffusen Angst dies nicht überleben zu können. Der ZUsamenhang zwischen Trauma und Körper wird in einem eigenen Blogartikel noch vertieft beschrieben.

Häufig laufen zeitgleich gedankliche Prozesse ab, die meist solche Sätze liefern wie: „Stell Dich nicht so an!“, „Reiß Dich zusammen“ o. ä.

So langsam wird der Zusammenhang zwischen Körper und Dissoziation verständlich oder?

Es kommt frühkindlich häufiger vor, als man denkt, dass Kinder in Ausnahmesituationen sind, ohne dass es die Eltern wissen. Ein Kind kann sich, auch wenn es gut sprechen kann, nicht deutlich differenziert ausdrücken. Dazu fehlt ihm schlicht und ergreifend die Erfahrung und das Verständnis über die Welt. Ein Kind reagiert dann mit emotionaler Erregung. Es wird aufgebracht und unruhig, schläft evtl. nicht mehr gut oder träumt wild. Vielleicht wird es bockig oder laut, oder wenn man Pech hat alles zusammen. Das sind Situationen, die zeigen, dass Alarm im System ist. Fragt man nun ein Kind was los ist, dann kann es nichts dazu sagen. Denn im Moment ist ja nichts. Aber für die Eltern heißt es aufpassen und für Sicherheit und Bindung sorgen.

Nun leben wir aber in einer Gesellschaft, die erst so langsam entdeckt, was für Kinder notwendig ist. Und die meisten erleben an so einer Stelle genervte Eltern (verständlicherweise, denn es ist ja auch anstrengend immer da zu sein), oder es wird durchgegriffen (es entstehen Regeln, die eingehalten werden müssen). Alles in Maßen ist das ja auch in Ordnung. Erlebt ein Kind in einer solchen labilen Entwicklungssituation dann noch ein einschneidendes Erlebnis, reicht dies aus, um ein frühkindliches Trauma zu setzen, dass sich im Erwachsenenalter in einer Somatisierung zeigen kann. Damit haben wir den Zusammenhang zwischen Körper und Dissoziation im Erwachsenenalter. Man könnte auch von einem Trauma – Körper sprechen.

Kommt ein erwachsener Klient zu mir, mit Symptomen, die er nicht einschätzen kann, frage ich meist, ob er die Symptome kennt, ob er sie schon einmal hatte? Und oft höre ich dann:“Ja, aber das ist schon lange her“.

In der Körpertherapie ist so etwas sehr hilfreich. Denn man ist sofort auf dem Weg den Ursprung zu finden für ein Symptom. Auch wenn die Umstände der Entstehung nicht mehr erinnert werden können, so kann meist erahnt werden, was in diesem Lebensabschnitt benötigt worden wäre.  Z. B. mehr Zeit, mehr Ruhe, mehr Zuwendung. Dies kann dann „nachgereicht werden“.

Eine Klientin von mir weiß intuitiv, dass sie bei innerem Stress früher immer Michreis gekocht bekam. Das habe sie ungemein beruhigt. Raten Sie mal, was es jetzt trotz Laktoseintoleranz zu essen gibt? Und es wird vertragen, denn der Körper assoziiert mit Milchreis sofortige Geborgenheit und Angenommen sein.

Eine andere Klientin kommt zu mir, aufgelöst innerlich, körperlich hoch verspannt und voller Schmerz. Und nachdem wir den Kontext schnell zusammen herausgefunden haben, erinnert sie auch schnell, was ihr früher das Bindungsgefühl gegeben hat. Es ist ein bestimmtes Kinderlied. Das ist schnell besorgt und abrufbar in genau den benötigten Situationen.

Sie sehen, v. a. im Zusammenhang von Körper und Dissoziation ist es wichtig auf alte Beruhigungsstrategien zurückzugreifen. Diese eignen sich wunderbar, um die innere Trennung wieder zusammenzuführen und nach und nach eine integrierte Reaktion auf bestimmte Auslöser zu entwickeln.

Körper und Dissoziation sind eng miteinander verwoben, es lohnt sich den Körper anzuhören, um die Anteile zurückzuholen, die sich von ihm getrennt haben.

Herzlich

Christini Hönig