Bindungstrauma

Bindungstrauma
Wenn man sich den Begriff Bindungstrauma einmal wissenschaftlich anschaut, dann begegnet man sehr schnell den Bindungstheorien nach John Bowlby. Ein Kinderpsychiater, der sich der Beobachtung der frühen Mutter – Kind Beziehung systematisch gewidmet hat. Er hat Kategorien entworfen, nach denen ein Kind als stabil gebunden, instabil gebunden oder ungebunden eingeordnet werden kann.

Ein Bindungstrauma entsteht seiner Meinung nach genau an dieser Stelle und führt im späteren Leben zu Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung. Die im frühen Lebensalter erfahrenen Bindungsmuster werden im Erwachsenenalten kopiert und nachgeahmt. Lesen Sie, wenn Sie möchten eine gute Zusammenfassung der Bindungstheorien auf Wikipedia, unter diesem Link.

Meiner Meinung nach hat er an diesem Punkt nicht ganz unrecht. Oft greifen wir im Erwachsenenalter zu sozialen Verhaltensweisen, in denen wir groß geworden sind. Ich möchte an dieser Stelle jedoch noch einen anderen Blick auf die Bindungstheorien werfen. Mir ist es wichtig den gesellschaftlichen Aspekt mit ein zu beziehen. Den wissenschaftlichen Aspekt zu Zeiten in denen man selbst geboren wurde halte ich für wichtig. (Ich wurde 1974 geboren, da herrschte ein anderer gesellschaftlicher Ton, als heute). Ich finde es wichtig etwas weiter zu schauen, als nur auf die Bindung zwischen Mutter und Kind, die natürlich eine hohe Wichtigkeit hat. Die aber, auch wenn sie einen geprägt hat, nicht ausschließlich für die Vorhersage einer Bindung oder die Entstehung eines Bindungstraumas zuständig ist.

Gesellschaftlicher Einfluss

Ein Großteil der heute lebenden Menschen hat die Ausläufer des zweiten Weltkrieges noch mitbekommen. Und zwar auf eine denkbar ungünstige Weise. Die Generation, die 1930 – 1950 geboren wurde hat meines Erachtens einen hohen Anteil an Genrerationstrauma abbekommen. Diese Generation hat den Krieg nur noch selten aktiv miterlebt, musste aber die Traumatas, die ihre Elterngeneration erlebt hat irgendwie überleben. Diese Kinder mussten die Flucht überleben, sie mussten den Hunger überstehen, sie mussten Verluste tragen, die heute die Flüchtlinge aus Syrien mitbringen. Und es hat sich keiner um sie kümmern können, denn auch nach Einführung der Demokratie war diese Generation vom faschistischen Gedankengut geprägt.

Es entstand eine innere Zerrissenheit, das eine was sie leben sollten (Demokratie), das andere was sie als soziale Prägung erfahren haben. Dann haben sie noch weltweit die Schuld für alles bekommen, obwohl sie keine Schuld mehr hatten. Eine echte wurzellose Generation. Die Generation Eltern der Menschen, die heute reihenweise unter psychischen Problemen zusammenbrechen. Denn die Generation, die heute 35 – 65 Jahre alt ist, ist die Generation, die einen massiven Anstieg psychischer und psychosomatischer Erkrankungen zeigt.

Ich will jetzt nicht alles auf den zweiten Weltkrieg schieben, denn der ist rum. Aber ich möchte klar machen, welche Entwicklungsaufgaben vor uns stehen. Wenn eine Generation einen Krieg am Rande miterlebt hat und dann in einer immer noch faschistisch durchzogenen Welt Kinder gekriegt hat, dann hat das Auswirkungen auf die Bindung. Meinen Sie nicht auch?

Die Rolle der Frau

Wie lange wurde die Rolle der Frau noch sehr regressiv gehalten. Noch bis in die 70er Jahre hinein gab es eine klare Rollenverteilung. Frau lieber zu Hause, Männer draußen in der Welt, mit aller exekutiven Macht. Erst in 1974 konnten Frauen ihr eigenes Konto eröffnen, durften ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten gehen. Oder sich scheiden lassen, ohne die Schuldfrage zu stellen. Wie war es denn bei der Kindererziehung? Stillen galt als schlechtere Option, da man doch so gute Ersatzkost hatte. Aus Sicht eines Menschen, der Hunger erlebt hat eine verständliche Entwicklung. Aber aus der Sicht der Bindungstheoretiker ein klares Versäumnis. Heute ist es genau umgekehrt. Versuchen sie als junge Mutter mal Verständnis zu erhalten, dass sie nicht stillen wollen. Das ist ja schon fast Kindesmisshandlung. So können sich gesellschaftliche Einflüsse sehr früh ins Beziehungsmuster einschleichen.

Gehen wir einen Schritt weiter; Kinder, die zwischen 1930 und 1950 geboren wurden, wurden noch „erzogen“, wenn denn jemand da war, der sich um sie kümmern konnte. Die Mütter mussten oft schnell wieder arbeiten, wenn ihre Männer noch im Krieg waren, oder da geblieben sind. Es gab keine Krippen, sondern Kinderfrauen, wenn man sie sich leisten konnte. Die meisten waren dabei zu überleben. Ihre Existenz zu sichern. Da gab es wenig Platz für Bedürfnisse. Da wurden die Kinder eben nur alle 4 Stunden gefüttert und zum Schreien auf den Balkon geschoben. Denn zwischendrin musste es laufen. Und das Schreien wurde als gut für die Lungen verkauft. Heute nur siebzig Jahre später steht das Jugendamt vor der Tür und nennt es seelischen Missbrauch. So ändern sich Ansichten, Möglichkeiten und Wertvorstellungen.

Es ist mir ein Anliegen, dies so detailliert zu beschreiben, weil ich deutlich machen will, dass ein Bindungstrauma unter solchen Voraussetzungen schnell erlebt ist.

Sicht auf die kindliche Psyche

Zieht man jetzt noch in Betracht, dass es wenig Wissen über die kindliche Psyche gab, das es auch heute noch nicht selbstverständlich ist ein Kind mit einem anderen Blick zu sehen, als noch vor 70 Jahren. Es soll deutlich machen, dass unsere Gesellschaft durchzogen ist von Menschen, die ein Bindungstrauma oder frühkindliches Trauma erlebt haben. Und dadurch, dass sie es erlebt haben auch eine hohe Wahrscheinlichkeit herrscht es weiter zu geben.

Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass Bindungstraumatas in unserem Land das gesellschaftliche Zusammenleben prägen. Auf die ein oder andere Weise. Die Zahl der Scheidungen ist seit Jahren am steigen. Die Konflikte, die in Beziehungen entstehen scheinen unlösbar. Und ich glaube nicht, weil so viele Menschen bindungsgestört sind, sonder schlicht und einfach, weil wir nicht mehr wissen, wie es geht. Weil die gesellschaftlichen Vorbilder Schwierigkeiten hatten sich weiterzuentwickeln, durch ihre traumatischen Erlebnisse. Und diese weitergegeben haben an die nächste Generation.

Ich als eine in den 70er Jahren geborene Frau habe heute ganz andere Möglichkeiten mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Es gab schon viel mehr Bildung und damit Berufsmöglichkeiten für mich, daher eine größere Unabhängigkeit. Meine Beziehungen kann ich frei wählen und mich immer wieder für sie entscheiden, wenn es schwierig wird. Ich habe aber auch die Verantwortung das Beste draus zu machen. Und zugegebenermaßen ist diese Verantwortung nicht immer leicht zu tragen. Aber es gibt Hilfe auf dem Weg und damit Hoffnung im Herz.

Ein Bindungstrauma ist zu überwinden, es ist nicht immer leicht aber es ist möglich. Eventuell hilft es Ihnen ja zu lesen, wie ein Bindungstrauma auch in einen großen Zusammenhang gestellt werden kann. Sie nicht alleine mit diesem Thema, schauen Sie sich einmal um, der neben Ihnen hat bestimmt ähnliche Schwierigkeiten.

Ich hoffe, dass Ihnen dieser Blog geholfen hat einen Rahmen für das Thema Bindungstrauma zu schaffen. Ich werde auf jeden Fall mehr zu dem Thema schreiben.

Herzlich

Christini Hönig