Emotionale Bindungsstörung

emotionale Bindungsstörung

Der Unterschied einer emotionalen Bindungsstörung zu einer Bindungsstörung lässt sich wohl am Besten in seiner Entstehung erklären.

Während eine Bindungsstörung vielfältige Ursachen haben kann, die den Aufbau einer guten Mutter – Kind Bindung stören kann, Z. B. die Abwesenheit der Mutter in den ersten Kindertagen, wegen eines Krankenhausaufenthaltes o. ä., bezieht sich die emotionale Bindungsstörung auf die Art des Bindungsaufbaus im Säuglingsalter.

Sie beschreibt ein Missverhältnis im Umgang der Bindungsperson mit dem Kind.  Der vor allem mütterliche Umgang im Säuglings- und Kleinkindalters ist durch einen nonverbalen Beziehungsaufbau geprägt, den eine Mutter intuitiv verstehen und adäquat darauf reagieren muss.

Dies ist eine Herausforderung für Mütter! Obwohl eine Mutter ihr Kind ja schon im Mutterleib „erlebt“ hat, muss sie nach der Geburt die feinen Zeichen ihres Säuglings richtig deuten. Sie muss erkennen weint ihr Baby weil es Hunger hat oder Schmerzen. Ist das eigene Kind unruhig, weil etwas unrund läuft oder weil es etwas stört.

Sie muss erkennen, wann Entwicklungsphasen eintreten, in denen das Kind eventuell besondere Unterstützung braucht. Diese sind in den ersten Tagen und Wochen sehr häufig und zeigen sich darin, dass Kinder sehr plötzlich eine neue Fähigkeit haben. Plötzlich können sie die Finger in den Mund stecken, oder den Kopf drehen. Man muss sich mal vorstellen, was das in der Wahrnehmung eines Säuglings bedeutet, wenn er plötzlich wieder die Finger in seinen Mund stecken kann. Eine Eigenschaft, die er im Mutterleib ja schon konnte, aber nach der Geburt auf Grund der Schwerkraft erst wieder neu entwickeln muss. Oder das sich die Welt plötzlich vergrößert, weil er seine Pupille zu  justieren und scharf stellen lernt. Damit ändert sich die Wahrnehmung auf die Welt ungemein und erfordert sicherlich ein gewisses Maß an Beruhigung und Zuversicht für den Säugling von Seiten der Mutter.

Meist wittern Mütter wenn irgendetwas nicht stimmt. Irgendwas macht sie unruhig, die Sorgen werden plötzlich größer, ohne dass es klare äußere Anzeichen gibt. Eine Leistung, die ich an diese Stelle auch einmal würdigen möchte.

Heute wird diese intuitive Zuwendung unterstützt und wahrgenommen und meist verstärkt, bzw. ernst genommen. Ich denke das ist eine gute Entwicklung.

Kommen wir nun zu den Möglichkeiten in denen eine emotionale Bindungsstörung entstehen kann. Ich möchte erneut betonen, dass ich im Laufe meiner Arbeit selten eine Absichtlichkeit einer Mutter in der Entstehung solch einer Störung erlebt habe. Meist gibt es eine persönliche Geschichte der Mutter, die dadurch nicht in der Lage war die o. g. Fähigkeiten zu entwickeln. Auch soll das nicht klingen, als würde ich eine fehlende intuitive Versorgung einer Mutter entschuldigen wollen. Ich möchte nur die Komplexität einer in der Entstehung eines frühkindlichen Bindungstraumas deutlich machen.

Ist also eine Mutter nicht in der Lage bestimmte Anzeichen ihres Säugling richtig zu deuten und diese nicht adäquat zu versorgen, so heißt das auch noch nicht, dass ein Trauma entstehen muss. Aber es kommt zu einem Missklang in der so engen Verbindung zwischen Mutter und Kind.

Zeichnen wir ein Beispiel:

Es gibt eine junge Mutter, die den kleinen Unterschied im Weinen ihres Säuglings wenn er Hunger hat und wenn er Nähe möchte nicht erkennt. Dann bedeutete das eventuell, dass sie ihr Kind ein kleines bisschen zu selten füttert oder einen kleines bisschen zu oft. Mutter und Kind können sich darauf einpendeln, aber es bleibt eben nicht so entspannt, wie wenn sie erkennt, dass ihr Kind müde ist oder Anregung hätte. Ihr Kind wird dadurch nicht schlecht versorgt aber eben nicht so entspannt wie es sein könnte. Dies alleine reicht nicht aus, um eine emotionale Bindungsstörung entstehen zu lassen.

Aber jetzt stellen sie sich vor, diese Mutter nimmt auf allen Ebenen die Bedürfnisse ihres Kindes mit einem Hauch Verzerrung wahr. Entweder ist sie ein wenig zu überzogen und reagiert so stark, dass der Säugling beginnt ihre Bemühungen abzuwehren. Oder sie reagiert immer einen Hauch zu wenig, so dass der Säugling immer in einem fordernden Zustand bleibt.

Erkennen Sie wie sich das zarte Gleichgewicht in der Beziehung zwischen Mutter und Kind zu der einen oder der anderen Seite neigt?

Stellen Sie sich vor dies zieht sich über einen langen Zeitraum, über mehrere Entwicklungsstadien. Es setzt sich fest, sowohl im Kind, das immer in einem erhöhten Maß an Erregung feststeckt. Als auch in der Mutter, die ein Bild von ihrem Kind generiert, dass dem eigentlichen Charakter ihres Kindes nicht entspricht.

Langsam wird der Missklang lauter, eventuell fällt die Trotzphase eines Kindes etwas stärker aus, als gewöhnlich. Oder die Mutter beschreibt ihr Kind als schwieriges Kind. Es können Verhaltensauffälligkeiten entstehen und damit die Sichtbarkeit erhöhen, dass etwas nicht stimmt.  Die emotionale Bindungsstörung wird im außen gesehen. Jetzt geht der gesellschaftliche Einfluss los. (den werde ich jedoch extra beleuchten)

Was kennen Sie für Geschichten über sich selbst? Was wird Ihnen nachgesagt? Stimmt das, was über sie erzählt wird mit Ihrem Selbstbild überein?

Natürlich hat eine Mutter immer wieder die Möglichkeit die emotionale Beziehung zu ihrem Kind zu justieren. Keine Mutter kann immer so zurückgenommen sein, dass die Bedürfnisse ihres Kindes unangetastet im Vordergrund stehen. Aber sie kann immer wieder versuchen diesen Zustand herzustellen. Und damit für große Entspannung und Ruhe sorgen. Dafür braucht sie jedoch in Ihrem eigenen Inneren große Ruhe und Entspannung und dies herzustellen im Trubel einer Familie ist die Aufgabe und Herausforderung, die eine Mutter an sich stellen muss.

Sie sehen was für ein differenziertes Gefüge so eine emotionale Bindung ist.

Und an dieser Stelle haben wir nur die Beziehung zwischen Mutter und Kind beleuchtet. Es ging noch gar nicht um die Dynamik, die zusätzlich zwischen den beiden Eltern entsteht. Und auch den gesellschaftlichen Einfluss haben wir noch nicht mit einbezogen. Einen Eindruck darüber können Sie in meinem Blog Bindungstrauma lesen.

Ich möchte an dieser Stelle einen wichtigen Punkt ansprechen: obwohl ich glaube, dass es kein Kind gibt, das ohne einen Missklang groß wird, glaube ich trotz allem, dass es ganz oft gut wird. Also, dass eine Beziehung zwischen Mutter/Eltern und Kind auch Belastungen aushält, auch wenn es eine emotionale Disharmonie gibt. Eine emotionale Bindungsstörung entsteht nur, wenn die Disharmonien anhalten. Wenn es eine emotionale Bewegungslosigkeit im Umgang miteinander gibt. Wenn Eltern und Kinder in der Entwicklung miteinander bleiben, dann können kurzfristige Störungen in der Beziehung gut aufgefangen werden.

Und auch wenn man eine emotionale Bindungsstörung erlebt hat, ist es nicht so, als müsse man die Konsequenzen dessen, was man erlebt hat ein Leben lang weiterführen. Man darf sich dadurch nur nicht fesseln lassen. Sich aus einer emotionalen Bindungsstörung im späteren Lebensalter zu lösen ist gut möglich, es tut nur manchmal etwas weh.

Ich hoffe ich konnte Ihnen das Thema der emotionalen Bindungsstörung näher bringen, ohne Sie zu sehr zu verwirren.

Herzlich

Christini Hönig