Seelischer Missbrauch

Woran kann ich erkennen, ob ich seelisch missbraucht werde oder wurde?

Ich versuche Ihnen in diesem Blog diese Fragen zu beantworten.

Von seelischem Missbrauch spricht man, wenn man in der Kindheit verstärkt der Ablehnung und Herabsetzung des eigenen Wertes durch die Eltern oder Bezugspersonen ausgesetzt wurde. Damit meine ich, wenn man zynisch oder beleidigend behandelt wurde oder wird. Wenn man bedroht oder terrorisiert wurde.

Ein Kind ist in seiner Entwicklung abhängig vom Wohlwollen seiner Bezugspersonen. Es lernt an ihrem Modell sich zu orientieren und sich in der Welt zurecht zu finden. Ein Kleinkind (bis ca. 2. Lebensjahr) lernt sich zu regulieren, indem es erlebt, dass seine Bedürfnisse gestillt werden. Es lernt also, durch die Hilfe der Bezugsperson, eine Anpassungsreaktion auf Spannungszustände vorzunehmen. Ein Kind (ab 2. Lebensjahr) lernt erst einmal über die Nachahmung der elterlichen Verhaltensweisen, sich zu regulieren. Wenn Eltern also in der Lag sind sich nach einer Aufregung zu beruhigen, dann schaut sich ein Kind ab, wie man das macht (Durchatmen, sich kurz aus dem Weg gehen, sich einmal wieder umarmen) und kann es irgendwann in seinen eigenen Handlungskomplex aufnehmen. Später lernt ein Kind auch durch die Reaktionen, die seine Bezugspersonen ihm entgegen bringen, das erwünschte Verhalten zu zeigen. Vor allem lernt ein Kind über das erhaltene Lob eine erwünschte Verhaltensweise erneut zu zeigen.

Ich möchte deutlich machen, wie wichtig es ist, dass Kinder von der Art und Weise ihrer Behandlung abhängig sind. Wenn Eltern also ständig überfordert sind und die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht mehr wahrnehmen können, stattdessen diese ablehnen oder nicht mit ihnen in Beziehung gehen. Dann kann es schon allein dadurch zu einem seelischen Missbrauch kommen. Die Überforderungssituation muss nur lange genug anhalten.

Ein seelischer Missbrauch entsteht also nicht zwangsläufig durch die böse Absicht der Bezugspersonen. Er kann auch entstehen, wenn die Versorgungskapazitäten der Bezugspersonen nicht ausreichend sind.  Wenn bestimmte Entwicklungsschritte der Kinder übersehen werden, wenn große Unachtsamkeit innerhalb des Familiensystems herrscht.

Ein Beispiel: Ein Paar hat einen dreijährigen Sohn. Sie und der Vater des Kindes haben einen Konflikt in ihrer Beziehung. Sie ist überfordert und bekommt ihrer Meinung nach zu wenig Unterstützung, er findet seine Frau kümmert sich nur noch um das Kind. Keiner von beiden bemerkt, wie der Sohn gerade in einer Phase ist, wo er gerne die Welt entdecken will. Er wird von den Eltern zurückgehalten, um deren Bedürfnisse nach Nähe und Verbindung herzustellen, die beide Elternteile nicht miteinander leben können. Er soll mit der Mutter auf dem Sofa kuscheln, obwohl er eigentlich auf den Spielplatz möchte. Er soll dem Vater aus dem Weg gehen, obwohl er so gerne mit ihm toben möchte.

Dies beschreibt eine ganz gängige Situation in Familien. So etwas gescheht häufig. Wenn die Eltern ihren Konflikt nicht klären, nicht in der Lage sind ihre Beziehung zu regulieren, kann es auf längere Sicht zu einer Fehlregulation des Kindes führen. Er kann sich nicht gemäß seiner Bedürfnisse entwickeln. Hält dieses Familienmuster vor, bis zur Pubertät des Jungen, und verstärkt sich die unbewusste Haltung der Eltern gegenüber ihrem Sohn. Muss er also weiterhin das Bedürfnis nach Nähe der Mutter bedienen und kommt dadurch in den Konflikt der Eltern, so kann man von einem seelischen Missbrauch sprechen.

Seelischer Missbrauch entsteht natürlich auch über absichtliches emotional verletzendes Verhalten von Eltern gegen ihre Kinder. Dieser ist jedoch leichter zu entdecken. Ein Kind was in einem Umfeld groß wird, wo es Beschimpft und bedroht wird, wird später auch eher erkannt, da es solche Verhaltensweisen eher selber zeigt.

Ein seelischer Missbrauch, der durch Konflikte im Familiensystem oder durch die Überforderung der Eltern entstanden ist, kann schwerer aufgedeckt werden, da er gesellschaftlich anerkannter ist.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen das Thema: seelischer Missbrauch etwas verständlicher machen.

Herzlich

Christini Hönig