Erschöpfung und Müdigkeit

Erschöpfung und Müdigkeit
Erschöpfung und Müdigkeit ist ein zentrales Thema, wenn man sich mit frühkindlichen Bindungsstörungen auseinandersetzt.  Und Erschöpfung und Müdigkeit bedingen sich gegenseitig. Dieser Artikel beschreibt sie Entstehung beider Phänomene und versucht eine Umgangsform aufzuzeichnen.

Erlebt man in seiner frühen Kindheit keine haltende, regulierende emotionale Bindung aus dem Umfeld, dann entsteht in einem Säugling/Kleinkind ein Stress, der durchaus messbar ist. Der Cortisolspiegel erhöht sich dauerhaft.

Kurzfristig hat diese Erhöhung keine Auswirkung auf ein Kind, aber gerade Bindungsthemen haben oft keine zeitliche Begrenzung. Nehmen wir also an, eine Mutter kann sich nicht so gut intuitiv auf ihr Kind einstellen, und das Kind ist gezwungen sich schnell selbst zu regulieren. Das kann es ja noch nicht wirklich, also wird es sein Verhalten anpassen um von sich aus Bindung herzustellen Ein Bindungstrauma entsteht. Dadurch gerät es unter eine dauerhafte Überforderung. Und auch, wenn die Bezugsperson in der Lage ist (eventuell durch eine kurzzeitige Bindungsunterbrechung) die Bindung wieder herzustellen, so kann es sein, dass sich schon kindliche Anteile ausgebildet haben, die dann der Persönlichkeit des Kindes zugeordnet werden.

Der Stresspegel bleibt erhöht, er erhält meist körperlichen Ausdruck, mehr dazu lesen Sie in dem Artikel der Köper erinnert sich.

Ein Beispiel für die Entstehung von Erschöpfung und Müdigkeit:

Die Mutter eines Kindes stirbt. Das Kind ist ein einem familiären System aufgefangen durch einen liebenden Vater und eine große Schwester. Alle trauern. Auch die Tanten, die immer wieder vorbeikommen und nach dem Rechten sehen. Und das Kind beginnt sozial erwünschte Aussagen zu machen, um die Tanten zu entlasten. Aus Angst heraus, nicht noch eine Beziehung zu verlieren. Schon beginnt der oben beschriebene Prozess. Das Kind, das eigentlich auch Bedürfnisse nach Trost und Halt und Erklärung hatte, nimmt sich zurück um Bindungen aufrecht zu erhalten. Weil es Angst davor hat noch einen wichtigen Menschen im Leben zu verlieren. Und die Zuschreibung erfolgt sofort. Denn das Kind wird als „stark“ und als „hilfsbereit“ bezeichnet und empfindet sich ja auch selbst so.

Wenn sich das jedoch fortsetzt bleibt die innere Anspannung nach dem Tod der Mutter im Körper hängen. Die Anspannungen setzen sich fest. Diese ungelöste Spannung ist für den Körper über die Jahre erschöpfend, stressend. Es geht immer ein bestimmter Anteil an Kraft für die Aufrechterhaltung dieser inneren Spannung (es ist ja eigentlich die Verlustangst) verloren. So entsteht eine innere Erschöpfung. Kommt dann noch eine neue Belastung dazu, eine die das Leben eben mit sich bringt. Prüfungen zum Beispiel oder die Geburt des eigenen Kindes, dann verbinden sich Erschöpfung und Müdigkeit miteinander. Und die Müdigkeit (in diesem Beispiel durch die aktuellen äußeren Umstände entstanden) verstärkt die Erschöpfung (frühkindlich entstanden). Und es entwickelt sich ein Kreislauf. Müdigkeit verstärkt die Erschöpfung und die Erschöpfung verstärkt die Müdigkeit. Näheres dazu im Artikel Körper und Trauma.

Ein Zenith entsteht.

Das ist ein Zeitpunkt an dem sich die meisten Menschen in einer Lebenskrise fühlen. Egal wie viel sie schlafen, die Müdigkeit bleibt, denn die Erschöpfung wirkt noch im Inneren. Der Ausweg aus dieser Situation geht nur, indem man Erschöpfung und Müdigkeit getrennt voneinander betrachtet.

Gut ist es, wenn die Ursachen klar den Symptomen zugeschrieben werden können. Das bedeutet: Was verstärkt meine innere Erschöpfung und was verstärkt meine Müdigkeit.

Am oberen Beispiel könnte man folgendes erkennen. Die Erschöpfung wird immer dann gefüttert, wenn sich die Person für andere stark machen soll oder hilfsbereit sein soll, sich aber in dem Moment überfordert fühlt.

Führen wir das Beispiel fort:

Im Alltagsleben soll nun die o. gezeichnete Person Gespräche mit Mitarbeitern führen. Da das nicht alltägliches Geschäft ist, sondern ausnahmsweise in der Urlaubsvertretung stattfinden soll, wäre das die äußere Situation. Die füttert die Müdigkeit.

Die Erschöpfung jedoch wird gefüttert durch die innere Anspannung, die sofort zu den Verlustängsten führt, die sich heute darin zeigen, dass Gedanken entstehen wie: „ Ich darf meinen Kollegen das aber eigentlich nicht sagen, was sollen die denn von mir denken, wenn ich plötzlich Forderungen stell“, „Ich schaff das auch noch“, „ach, ist doch nicht so wichtig“.

Sie erkennen, die Erschöpfung wird durch einen ganzen gedanklichen Fuhrpark unterstützt und gerechtfertigt. Und um sie tatsächlich gar nicht mehr wahrzunehmen wird auch noch bagatellisiert. Die Psyche hat ein großes Labyrinth gebaut, um sich dem eigentlichen Thema, dem Thema der Verlustangst, nicht stellen zu müssen.

Umgang mit Erschöpfung und Müdigkeit:

Und dort liegt die eigentliche Lösung der Erschöpfung und Müdigkeit. Beginnend mit dem Bewusstwerden und der Trennung von Erschöpfung und Müdigkeit, wirken dann unterschiedliche Mechanismen, um beide Zustände zu beeinflussen.

Die Müdigkeit kann positiv beeinflusst werden durch kurzfristige regulative Handlungen. Hier kommen Dinge zum tragen wie: frische Luft, etwas Bewegung vor dem Schlafen gehen, gutes Essen, Ruhe. Eben alltägliche Regulationsprozesse, die die meisten auch kennen und können. Nur meistens reicht das eben nicht aus. Denn die Erschöpfung verlangt einen größeren Anteil an Regulation.

Hier ist es wichtig zu wissen, wann die Erschöpfung entstanden ist. Eine frühkindliche Erschöpfung kann besser beeinflusst werden, wenn frühkindliche Regulationsmechanismen zum Tragen kommen. Das kann so etwas sein, wie eine heiße Milch vor dem Schlafen gehen. Oder alte Traditionen wieder beleben, so etwas wie „ Kassette hören“.  Glauben Sie mir, die Erschöpfung ist trickreich, die kann man nicht beschummeln. Erschöpfungszustände wissen genau, was sie brauchen. Also finden Sie mit viel Achtsamkeit und innerer Aufmerksamkeit heraus, was benötigt wird. Es geht daru unterschiedliche inneren Anteile zu differenzieren und mit ihnen umzugehen.

Hier ein paar Klassiker:

Oft kann Erschöpfung gut reguliert werden mit Allein sein. Sie reagiert auch gut auf sanfte Bewegung (alles, was keinen Leistungsdruck hervorruft). Erschöpfung reagiert gut auf Halt, und wenn Sie gerade keinen haben, der Sie hält, dann bauen Sie sich eine körperliche Begrenzung. Bewährt hat sich an dieser Stelle, den Körper eng einzuwickeln in die Bettdecke. Schaukeln ist oft sehr hilfreich. Also kein wildes auf der Schaukel schaukeln, aber ein in der Hängematte liegen und etwas hin- und her schaukeln hilft sehr die Erschöpfung zu beeinflussen.

Es gibt genauso viele Möglichkeiten mit Erschöpfung umzugehen, wie es Menschen gibt, das ist eine hoch individuelle Angelegenheit.

Ich hoffe jedoch, dass ich Ihnen mit diesem Artikel die Unterschiede zwischen Erschöpfung und Müdigkeit im Bindungskontext näherbringen konnte. Und ich hoffe, dass Sie sich jetzt auf die Suche machen können, was Erschöpfung und Müdigkeit zum Guten beeinflussen kann.

Viel Spaß dabei

Herzlich

Christini Hönig