Nichts sagen

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Oftmals komme ich in meiner Arbeit an den Punkt, wo Klienten nichts sagen können. Menschen, die vorher in der Lage waren gut über sich und ihre Themen zu sprechen, werden plötzlich stumm.

Diese Situation erfordert genaueres Hinschauen.

Meines Erachtens ist es nicht damit getan, auch als Therapeut nichts zu sagen. Es ist notwendig nachzuforschen welche Mechanismen dem „Nichts sagen“ zu Grunde liegen.

Innere Sicherung

Vor allem im traumatischen Kontext werden oft innere Schwellen zur eigenen Sicherung aufgebaut. So kann es sein, dass ein Mensch Erfahrungen darin hat, dass ihm nicht geglaubt. Vor allem in einer Situation in der er sich anvertrauen wollte. Oftmals ist die Konsequenz daraus nichts mehr zu sagen.

Ich erlebe es aber auch oftmals, dass es Drohungen gab Familiengeheimnisse oder auch das Geheimnis um missbräuchliche Personen herum preiszugeben. Diese Drohungen müssen nicht explizit ausgesprochen werden. Die Atmosphäre um eine missbräuchliche Situation herum ist oft verwirrend und desorientierend.  Sie kann von einem Kind gar nicht formuliert werden. Meist wird sie gar nicht verstanden, da nie etwas anderes erlebt wurde. Nichts sagen ist oft sicherer, als unzusammenhängende, wirre Erinnerungsfetzen preiszugeben.

Sich zu offenbaren geht immer einher mit Vertrauen. Menschen, die in einem emotional missbräuchlichen Kontext oder in einem sexuell missbräuchlichen Kontext heranwachsen, erleben meist keine gute Bindung zu ihren Bezugspersonen. Dabei ist Bindung nach wie vor die beste Prävention für ein Kind. Schwach gebundene Kinder entwickeln schnell Strategien um sich eine Orientierung im Leben zu verschaffen. Meist indem sie sich entweder auf die Täterseite stellen (Täterintrojekte). Es kann aber auch zum Abspalten der Erfahrungen kommen. Oft nehmen sie die Schuld auf sich.

Diese Schutzmechanismen sind also noch aktiv, solange ein Mensch nichts sagen kann. Dies sollte vorsichtig und eventuell  durch andere Darstellungsmöglichkeiten (schreiben, malen, bewegen) umgangen werden. Bis derjenige in der Lage ist seine innere Sicherheit so weit aufzubauen, dass er es wagen kann auch die geschehenen Dinge zu benennen.

Vorsprachliche Erfahrungen

Beginnt ein Trauma sehr früh in der Kindheit, dann entwickeln Kinder meist keine Worte für das was ihnen geschieht. Auch das kann ein Grund dafür sein, dass sie nichts sagen.  Was nicht heißt, dass nichts passiert ist. Ist ein Trauma vor der sprachlichen Entwicklung, also in den ersten drei Lebensjahren vorgefallen, dann spricht der Körper anhand von seinem heute erlebten Erregungspegel Bände (Körpertraumatherapie).

Es werden also körperliche Zustände entwickelt, die deutlich auf einen Stressor oder Trigger hinweisen, welche für die aktuelle Situation zu viel sind. Ein Hinweis können plötzlich auftretende starke körperliche Veränderungen sein (schnell ansteigender Puls, Übelkeit, allergische Reaktionen, die eigentlich keine Allergie sind und so weiter), die schulmedizinisch nicht nachgewiesen werden können.

Nichts sagen zu können ist nicht so schlimm, denn oft fehlt es an Wörtern oder anderen Symbolen (zum Beispiel inneren Bildern), die die Situation adäquat beschreiben können. Hier ist es Aufgabe des Therapeuten langsam diese innere Landschaft zu schaffen. Sie zu abstrahieren, damit sie erkannt und klar von der aktuellen Situation unterschieden werden kann.

Scheuen Sie sich also nicht davor nichts sagen zu können, es gibt immer andere Ausdrucksmöglichkeiten, die Sie nutzen können, um sich und ihre Situation mitzuteilen.

Herzlich

Christini Hönig