Täterintrojekte

Täterintrojekte
Täterintrojekte sind in der Behandlung von Bindungsstörungen oft zu finden. Täterintrojekte sind verinnerlichte Verhaltensweisen, Meinungen und Überzeugungen, die eine Bezugsperson hat und die von einem Kind ungefragt übernommen werden, um die Bindung zur Bezugsperson aufrecht zu erhalten.

Es ist für ein Kind ja ganz normal sich die Meinung der Eltern erst einmal anzueignen. Entwickelt ein Kind ein Gewissen, (so um das 3. Lebensjahr herum) dann nimmt es die Wertvorstellungen der Eltern als gegeben. Und erst mit weiterer Lebenserfahrung kann ein Kind dies in Frage stellen, bzw. eigene Werte entwickeln. Oft habe ich den Eindruck, dass dieser Prozess erst im Erwachsenenalter abgeschlossen ist. So ungefähr mit 30 Jahren weiß man wer man ist.

Sind Eltern nun in ihrer Wertevorstellung nur auf sich selbst bezogen und gehen an den Bedürfnissen ihrer Kinder vorbei, dann nimmt das Kind eine Entwicklung in Kauf, in der es sich nicht erlaubt eigene Vorstellungen zu entwickeln. Um die Bindung zu den Eltern nicht zu gefährden nimmt es ein Selbstbild an, das ihm nicht entspricht.

Steigert sich eine Mutter in ihrer eigenen Überforderung in eine Vorstellung ihres Kindes hinein, kann es zu solch einem Prozess kommen. Also eine Mutter ist müde, genervt und schon zum wiederholten Mal möchte sich ihr Kind nicht anziehen. Sie hat das Thema satt und will nur noch, dass sich ihr Kind alleine anzieht. Sie ist voll mit Selbstzweifeln, denn im Kindergarten zieht sich ihr Kind ja alleine an. Sie hat Vorstellungen von Konsequenz, die keine Abweichung zulässt. Sie vergleicht sich mit anderen Müttern, deren Kinder sich natürlich alleine anziehen. Und sie ist nicht in der Lage sich in dieser Situation zu regulieren. Sprich: sich zu hinterfragen, sich zu reflektieren und sich anzuerkennen, dass eigentlich nichts los ist. Dann beginnt sie eventuell generalisiert überzogen zu reagieren. Und vermittelt ihrem Kind Introjekte, die mit der Realität vermutlich wenig zu tun haben.

Es ertönen aus dem Kinderzimmer eventuell folgende Klassiker

„Nie machst du was man die sagt“

„Andere Kinder können das besser als Du“

„Immer bist du am trödeln“

„Du machst das doch absichtlich“

„Mach es alleine, ich gehe weg“

„Du machst die Mama ganz traurig, wenn du so bist“

Hört ein Kind dies in der richtigen Situation oft genug, dann beginnt es diesen Sätzen Glauben zu schenken. Dann beginnt ein Kind von sich zu denken, es würde immer trödeln. Um aber die Beziehung zu seiner Mutter aufrecht zu erhalten, wird es sich beeilen. Immer. Die Mutter denkt „Prima, jetzt funktioniert es ja“. Diese Introjekt ist relativ übersichtlich. Und es ist auch gut aufzufangen!

Täterintrojekte sind jedoch oft verallgemeinernd. Es würde dem Kind suggeriert werden, es würde immer trödeln. Beim Anziehen, ausziehen, essen, spielen, gehen, denken, immer sei es zu langsam.

Merken Sie wie sich innerlich ein Druck aufbaut, wenn Sie sich in die Rolle des Kindes versetzen?

Das geht dann schon tiefer und wird sicherlich Auswirkungen haben im weiteren Verlauf des Lebens.

Sind die Eltern aggressiv, dann internalisiert das Kind die elterlichen Aggressionen, um diese zumindest teilweise zu kontrollieren. Kinder, die sich ständig sagen, sie würden etwas nicht können. Die eine innere Überzeugung haben, sie seien dumm oder nicht beachtenswert, haben schon recht beachtliche Täterintrojekte im Gepäck. Es kann bis dahin gehen, dass Aggressionen gegen sich selbst gerichtet werden. Da kann man jetzt selbstverletzendes Verhalten nennen, das ist mir allerdings etwas zu weit gegriffen. Es geht auch etwas genauer. Je früher Täterintrojekte entstehen, umso körperlicher werden sie ausgedrückt. Allergien zum Beispiel, Autoimmunerkrankungen; all das sind Zeichen für einen Teil, in dem sich ein eigentlich gesundes Verhalten gegen sich selbst richtet.

Wie ich immer wieder betone:

Es gibt auf jeden Fall Täterintrojekte, die absichtlich initiiert wurden. Es gibt genug Kinder, die in ihrer Kindheit gefügig gemacht werden sollten. Und das meine ich in einem machtmissbrauchenden Zusammenhang.

Es gibt aber noch viel mehr Menschen, die Täterintrojekte mit sich herumtragen, die unabsichtlich oder aus Unwissenheit heraus entstanden sind. Lesen sie dazu gerne den Blog Bindungstrauma.

Oder es entstehen Täterintrojekte, weil die Mütter  und Väter selber schlecht gebunden waren und aus mangelnder Selbstreflektion einfach alles so weiter machen, wie sie es erlebt haben.

Und auch hier betone ich erneut, kein Mensch kommt durchs Leben ohne solch eine Erfahrung zu machen. Jedoch gibt es Menschen, die gebundener groß werden und bei denen solche Erlebnisse wieder aufgefangen werden können. Es gibt aber auch Menschen, die ihr Leben lang diese Altlast als Schmerz oder als verminderten Selbstwert mit sich herum tragen und daran leiden.

Diese Täterintrojekte sollten beleuchtet werden und dabei helfe ich Ihnen.

Herzlich Christini Hönig