Bindung und Trauma

Bindung und Trauma
Das heutige Thema Bindung und Trauma soll noch einmal die Wichtigkeit der wahrgenommenen  Bindung vor, während und nach einer traumatischen Situation hervorheben. Erlebt ein Mensch sehr früh im Leben Dramatisches, so kann dies häufig weder körperlich noch in Erinnerung „bildhaft“ abgespeichert werden. Das ist vor allem so, damit die Betroffenen nicht im traumatisch emotional geladenen Zustand verharren. Diese Überforderung ist oft nicht zu bewältigen. Wenn ein Mensch dazu auch nicht ausgereift ist und er seine Traumatisierung(en) in der Kindheit und frühen Adoleszenz erlebt, ist die emotionale Bedrohung einfach zu groß. Sie kann nicht integriert werden, da sie das ganze System in Existenzangst halten würde.

Umso wichtiger ist es hier Kindern eine Regulationshilfe anzubieten, im Sinne von emotionalem Halt und Trauerbewältigung. Es ist wichtig Kindern in ihrer Orientierungslosigkeit eine Erklärung zu geben, für das was passiert ist. Und nicht einfach im Leben weitergehen, als sei nichts passiert.

Ein Beispiel zu Bindung und Trauma:

Stellen Sie sich vor, Sie erleben als Kindergartenkind einen Autounfall, bei dem ihre Mutter schwer verletzt wird und schreiend auf der Straße liegt. Sie selbst sind im Auto gefangen und kommen nicht los. Durch Schmerzen und den Aufprall sind Sie unter Schock. Und Sie sind orientierungslos. Dazu kommt: Sie sind allein. Denn Ihre Hauptbezugsperson ist selbst betroffen und kommt ins Krankenhaus. Allein diese Situation reicht aus, um bei den meisten eine körperliche Reaktion auszulösen. Die innere Spannung steigt schon beim Lesen, oder?

Jetzt kann man ja denken das Trauma sei zu Ende. Aber obwohl man selbst glimpflich davon gekommen ist, ist das Leben plötzlich völlig anders. Die Mutter ist weg. Sie ist nicht erreichbar und durch die eigenen Verletzungen ist sie nicht in der Lage die Versorgung zur Verfügung zu stellen, die beruhigend und stabilisierend wirken würde. Der Vater geht arbeiten, Sie selbst müssen bei einer entfernten, Ihnen fremden Person, untergebracht werden oder sofort wieder in die Kita. Denn das Leben soll ja so schnell wie möglich wieder normal werden. Sie bemerken bestimmt, wie das nicht geht.

Obwohl der Unfall vorbei ist und die körperlichen Wunden heilen bleibt ein Punkt der weiterhin schmerzt und das ist das Gefühl der Einsamkeit in der Bewältigung der überfordernden Situation. An dieser Stelle geht das Trauma weiter.

Was tun Kinder in einer solchen Situation?

Sie haben die große Gabe sich so anzupassen, dass sie meistens tun, was von ihnen erwartet wird. Sie machen mit und sie machen das Beste draus. Für sich? Das ist fraglich. Für ihre Umwelt? Vermutlich.

Kinder passen sich so an, um ihre Versorgung sicher zu stellen. Und die festen Umstände geben ihnen ein Mindestmaß an Halt. Eine Orientierung nach dem schrecklichen traumatischen Ereignis. Das Gefühl der Einsamkeit verstärkt sich jedoch dadurch. Und eine Traumaverarbeitung, bzw. Integration findet nicht statt. Stattdessen entstehen Glaubenssätze und Grundannahmen ans Leben, die sich schnell um Themen, wie Scham und Schuld drehen. Denn wird einem Kind nicht erklärt, warum was wie passiert ist zieht es seine eigenen Rückschlüsse. Und da sich in der Welt der Kinder viel um sie selbst dreht beziehen sie Umstände gerne fälschlicherweise auf sich selbst.

Solch ein Verhalten hat einen hohen Preis. Solch ein Umgang bewirkt, dass Kinder, das Gewesene abspalten. Sie verdrängen es auf allen Ebenen. Es gibt keinen Schmerz, weder auf der emotionalen noch auf der körperlichen Ebene.  Der kommt weg, weit weg. Denn nicht nur ist keiner da, der sich um ihn kümmern könnte, er stünde auch im Weg weiterzuleben. Die Angst und der Schreck sind so groß, dass sie das Leben zu stark beeinflussen würden. Der Trauma – Körper ist geboren.

Meiner Meinung nach sind schlimme Ereignisse natürlich schlimm! Das o. g. Beispiel ist für keinen der Betroffenen einfach. Eine Besonderheit möchte ich jedoch herausheben. Und das ist die Bindungslosigkeit zwischen den Betroffenen. Vor Allem im weiteren Verlauf der traumatischen Situation. Trauma und Bindung stehen so nah beieinander, dass ich oft nicht beurteilen kann was schlimmer ist. Die traumatische Erfahrung (auf die wird sich oft in den Traumabehandlungen  konzentriert) oder die erfahrene Bindungslosigkeit, welche die Betroffenen erlebt haben.

In meiner Arbeit erlebe ich oft, dass Betroffene das schlimme Ereignis gut regulieren lernen. Oft werden schnell Erinnerungen generiert und die dazugehörigen Emotionen reguliert. Was für die meisten Betroffenen eine größere Schwierigkeit hat ist die erlebte Bindungslosigkeit auszuhalten. Das tiefe Gefühl der Einsamkeit und Ungebundenheit.

Wie gut Bindung und Trauma einher gehen, sieht man an sicher gebundenen Kindern. Erlebt ein Kind von Beginn seiner Anwesenheit eine gute Bindung und kommt dann ein Trauma, dann ist solch ein sicher gebundenes Kind eher in der Lagediese Trauma zu integrieren und sich weiter zu entwickeln.

Aber oft genug ist das erlebte Trauma nicht die erste traumatische Erfahrung, sondern es ist eine mangelnde Bindung, die schon vor der traumatischen Begebenheit innerhalb der Familie herrschte.

Bindung und Trauma könnte man eventuell auch so beschreiben. Mangelnde Bindung ist für Kinder traumatisch. Alle traumatischen Erfahrungen, die ein schlecht gebundenes Kind zusätzlich macht geben dem Bindungstrauma noch mehr Gewicht.

Da ich viel mit chinesischer Medizin arbeite möchte ich Ihnen die Sicht aus diesem Denkansatz bezüglich  Bindung und Trauma nicht vorenthalten. In der chinesischen Medizin geht man davon aus, dass jeder Mensch eine Art Bindungstrauma erlebt. Egal ob in Utero, während der Geburt oder zu einem nachgeburtlichen Zeitpunkt, kein Mensch kommt immer sicher gebunden durch seine Entwicklung. Das emotionale Trauma, das entsteht stellt eine „Ursprungswunde“ dar.

Diese Ursprungswunde ist in der chinesischen Medizin wichtig, da sie die eigentliche Berufung des Betroffenen freilegt. Es weist also den Entwicklungsauftrag aus und stellt die Möglichkeit seinen „Lebenslehrplan“ zu erfüllen in Aussicht. Man soll sich zu dem Menschen entwickeln, der in einem angelegt ist. Man soll die beste Version von sich Selbst werden.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich diese Sichtweise bei manch begleiteter Lebensgeschichte schwierig finde und es unglaublich viel Entwicklung bedarf um manche Schicksale anzunehmen und daraus auch noch einen Entwicklungsauftrag zu machen. Die Theorie ist allerdings gut. Sie bedeutet nichts anderes, als aus der Krise den Aufstiegt folgen zu lassen. Der eigene Phoenix zu werden. Oder der eigene Alchimist. Die Theorie gibt vor Allem eins: Hoffnung.

Bindung und Trauma: sie beziehen sich immer aufeinander. Und ein Trauma wird nicht integriert, wenn die Aspekte der Bindung nicht beleuchtet werden.

Ich hoffe ich konnte Ihnen die tiefen Zusammenhänge zwischen Bindung und Trauma etwas verständlicher machen.

Herzlich

Christini Hönig