Angst vor der Angst

Angst vor der Angst
Die viel beschriebene Angst vor der Angst sollte man eigentlich etwas anders beschreiben.

Die meisten Menschen haben Angst vor ihren dunklen Seiten, haben Angst vor allen Gefühlen, die sie an sich nicht kennen oder die sie in ihrem normalen Alltag verunsichern.

Die Angst vor der Angst beschreibt nur einen kleinen Teil. Die Angst vor dem, was mir einmal schrecklich wehgetan hat und was ich nicht noch einmal fühlen will, wäre besser.

Fassen wir uns doch einmal an die eigene Nase, dann wissen wir, wo wir schon einmal verletzt wurden. Und wir wissen auch, dass wir alles versuchen, um uns so nicht noch einmal zu fühlen. Wem wurde noch nie das Herz gebrochen und wer hat deshalb keine Angst sich weiter auf eine Beziehung einzulassen? Wessen Vertrauen wurde denn noch nie missbraucht? Wer ist denn heil durch gekommen? Das gibt es ja nicht. Aber es gibt Situationen, die sich so schrecklich und so vernichtend angefühlt haben, dass man glaubt, sie nicht noch einmal überleben zu können.

Das ist der Beginn der Angst vor der Angst, Trauer, Einsamkeit, Scham, Ekel… die Aufzählung ist nicht vollständig. Nur ist das Leben leider nicht so, dass es einem Situationen, in denen man sich wie eben aufgezählt fühlen kann, vorenthält. Man weiß nie, wann es wieder soweit ist. Und was machen wir Menschen? Statt sich zu entspannen und in der Zwischenzeit das Leben zu genießen und es so zu nehmen wie es kommt, beginnen wir uns zu schützen.

Seismographisch werden Situationen vorweggenommen, die sich wieder schlimm anfühlen könnten und sie werden vermieden, oder die Unsicherheit wird überspielt. Man verdrängt, schneidet sich den Zugang zum eigenen Gefühl ab, funktioniert, dramatisiert. Alles nur, um sich nicht noch einmal schlecht fühlen zu müssen.

Was dabei vergessen wird ist, diese eine schlimme vernichtende Situation, die man erlebt hat, hat einen nicht zerstört. Sie hat eine Narbe hinterlassen, ok. Aber wie die Franzosen so schön sagen: „Keine Arme, keine Kekse“. Jetzt heißt es mit ihr zu leben. Und nicht Angst vor ihr zu haben. Man wird im Leben immer mal wieder Angst haben oder traurig sein. Es wird immer mal wieder dazu kommen, dass einem weh getan wird. Sich davor schützen zu wollen heißt auch, sich etwas an Leben zu nehmen. Und man sollte sich bewusst sein, wo dieser Einschnitt getan wird.

Wenn man sich entscheidet sein eigenes Überleben zu sichern, dann finde ich Schutz ganz angebracht. Ich finde es auch ganz richtig sich seine Verletzungen dort anzuschauen wo es sicher ist. Aber ich finde es hinderlich, sich die eigene Entfaltung zu nehmen, nur weil man dabei verletzt werden könnte. Und die Angst vor der Angst hindert einen daran das Leben, dass man leben will zu entfalten.

Herzlich

Christini Hönig