Bindungsangst

Bindungsangst
Wie entsteht Bindungsangst und wie kann man sie zum Guten beeinflussen? Um diese Fragen soll sich der heutige Blogartikel drehen.

Wenn man sich mit frühkindlichen Bindungsstörungen und deren Auswirkungen im Erwachsenenalter beschäftigt, kommt man nicht um das Phänomen der Bindungsangst herum.  Bindungsangst bedeutet für mich, sich emotional nicht auf einen nahen Menschen einlassen zu können. Was in diesem Zusammenhang meint: eine gemeinsame,  emotionale Regulierung zu durchlaufen. Ganz praktisch meine ich damit: Spannung auszuhalten, sich entfernter und näher zu fühlen. Es bedeutet in der Lage zu sein, auch das Gefühl des Beieinanderseins nicht zu verlieren, wenn man unterschiedlicher Meinung ist, um einige emotionale Regulierungsprozesse in einer Beziehung zu beschreiben.

Erlebt man nun in seiner frühen Kindheit keine gute Bindung, können im Erwachsenenalter die o. g. Prozesse erschwert sein. Frühkindliche Bindung bedeutet, dass ein Kind von Anbeginn an seine Entwicklung durchlaufen kann, ohne große emotionale Störungen zu erfahren.

frühkindliche Entwicklung

Ganz zu Beginn bedeutet Bindung, eine gute Regulation zu erfahren. Ein Kleinstkind ist der Polarität der Welt ausgeliefert und es ist komplett abhängig davon, dass es eine Bezugsperson hat, von der es beruhigt wird. Denn bevor ein Säugling weiß was Hunger und Durst oder Wärme und Kälte ist fühlt es eine Anspannung, eine Erregung auf allen Ebenen. Erst bei fortlaufender Regulation von außen ist ein Kind immer mehr in der Lage

  1. seine Zustände zu differenzieren, z.B. Hunger von Schmerz (und dies unterschiedlich zu artikulieren)
  2. sich selbst etwas zu beruhigen (Daumen nuckeln…)

Ist es etwas größer, so ab dem 2. – 3. Lebensjahr erfährt es über die Spiegelung seiner Bezugsperson, das es unterschiedliche emotionale Zustände hat und diese auch verändern kann. Anfänglich mit Hilfe, später auch alleine. Dieser Entwicklungsschritt geht viele Jahre und bildet sich immer weiter aus. Hier lernt ein Kind wie es sich fühlt und wie andere Menschen darauf reagieren. Und es lernt auch, dass es emotionale Zustände in Anderen verändern kann (Trösten, Ärgern). Und auch in sich (sich selbst beruhigen, alleine einschlafen, bemerken, dass sich Schmerzen verändern…).

Wenn ein Kind dann seine Sprache entwickelt, lernt es diese Zustände differenziert zu benennen. Es kann sagen „Ich bin wütend“ oder „Ich bin traurig“. Es kann diese Zustände aber auch in seinem Gegenüber wahrnehmen und sie benennen. Z. B. „Papa ist wütend“. Diese Entwicklung differenziert sich immer weiter. Ein Kind lernt die Grade der Emotion zu begreifen. „Ich bin ein bisschen traurig“ oder „Es tut im Bein weh“ und nicht im ganzen Körper. Nichts desto trotz wird das Verhalten in diesem Entwicklungszustand direkt an die Emotion gekoppelt. Ich fühle mich, ich handel danach. Sprich, wenn ich traurig bin weine ich. Und wenn ich glücklich bin, dann weiß es die ganze Welt.

Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung ist also die innere Regulation von Spannungszuständen. Und die Erkennung und Regulation von Emotionen bei sich selbst und auch bei Anderen.

Sie fragen sich sicherlich was Bindung und Beziehung mit der Entwicklung von Bindungsangst zu tun haben.

Erlebt ein Kind diese Regulation nicht innerhalb einer Beziehung, dann hat es schlicht und ergreifend keine Übung darin, sich selbst und seine Spannungen zu regulieren. Es kann aber auch nicht immer die Spannungszustände des Anderen wahrnehmen, diese Spannung aushalten und abwarten, bis das Gegenüber sich reguliert hat.

Im Gegenteil: Ein Kind, das nicht gelernt hat, dass emotionale Spannungen zwischen sich und einer Anderen Person entstehen und wieder vergehen, ohne dass etwas Schlimmes passiert, entwickelt Strategien diese Spannungen auch im Außen zu regulieren. Es kann sich nicht um die eigene Regulation kümmern, weil der Spannungsgrad des Gegenübers zu bedrohlich ist.

Nehmen wir ein ganz alltägliches Beispiel. Sie holen ihr Kind nach einem außergewöhnlich anstrengenden Tag aus der Kita ab und sind mit sich und ihrer Entspannung beschäftigt. Ein Kind, dass gelernt hat: „Spannungen regulieren sich, die Mama ist gleich wieder normal“  wird sich davon nicht beeindrucken lassen und bleibt gelassen oder ruhig, bzw. nicht gestresst.

Ein Kind was wiederum diese Regulation innerhalb einer Beziehung nicht erlebt hat, fängt an sich anzupassen. Es fängt an sein Verhalten zu ändern. Je nach Charakter wird es ruhig und angepasst oder auch provozierend und fordernd. Jedenfalls ist das Gleichgewicht gestört.

Bindungsangst im Erwachsenenalter entsteht also, wenn ein Kind nicht gelernt hat sich emotional von der Bezugsperson zu entfernen und sich dann wieder emotional zu nähern. Und das nicht gelernt hat, dass dies auch Bezugspersonen tun dürfen. Auch nahestehende Personen sind emotional mal nicht zu erreichen, aber sind es dann wieder.

Bindungsangst kann verschiedene Ausprägungen haben.

Hat ein Kind zum Beispiel als Regulation der Spannung die Rolle des Elternteils übernommen, so wird derjenige in einer Beziehung in einem ähnlichen Muster sein. Er wird sich immerwährend um das Wohl der Anderen kümmern, um nicht das Gefühl erleben zu müssen, unverbunden zu sein. Dadurch entsteht in einer Beziehung schnelldas Gefühl der Überforderung und somit kann sich eine abwehrende Haltung einer Beziehung gegenüber entwickeln.

Hat ein Kind eine eher provozierende und fordernde Haltung eingenommen, wird es wohl im Erwachsenenalter eher erleben, dass er oder sie als zu anstrengend wahrgenommen wird. Und auch hier können sich Selbstzweifel ausprägen, die eine Bindung an einen anderen Menschen schwermachen.

Es kann aber auch sein, dass ein Kind die Isolation gewählt hat und sich eine Phantasiewelt aufgebaut hat, in die es sich zurückzieht, wenn kein emotionaler Halt vorhanden war. Auch hier wird eine Bindung an eine Person im Erwachsenenalter als nicht zugänglich wahrgenommen. Und somit eine Angst hervorgerufen, wenn es darum geht ganz real wahrzunehmen, was gerade eigentlich los ist. Und was in der Vorstellung als Angst entsteht.

Es gibt immer wieder ganz unterschiedliche Wege in die Bindungsangst. Meines Erachtens geht es in der Therapie darum, dass Wechselspiel der emotionalen Nähe und der Distanz zu erkennen und ein Selbstvertrauen in die eigenen Regulationsmöglichkeiten zu erleben.

Bindungsangst ist zu überwinden.

Herzlich

Christini Hönig

 

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