Das Leben ist gegensätzlich
Eine solche Geschichte zu begreifen, fällt schwer. Ein Schicksalsschlag unermesslicher Größe einfach so an einem Tag am Wochenende. Und alle müssen weitermachen. Obwohl die Erzieherinnen der Kita freigestellt wurden, kamen sie doch alle sofort wieder zur Arbeit. Sie wollten weitermachen, es hat Ihnen geholfen zusammen zu sein, es hat sie durch die Situation getragen. Der kleine Mann war ein echter Wirbelwind und sie wollten alle in seinem Gedenken in der Kita mit den anderen Kindern weiterwirbeln.
Obwohl die Geschichte um den Tod eines Kindes immer eine besondere Tragik hat, kennen wir alle Schicksalsschläge. Wir kennen alle Situationen, die das Leben mit großer Plötzlichkeit verändern. Plötzlich ist alles anders.
Nichts sieht mehr so aus, wie vorher, nichts fühlt sich mehr so an wie vorher. Man sieht die Welt mit anderen Augen, hört sie mit anderen Ohren, fühlt sie mit einem anderen Herzen. Und doch bleibt einem nichts anderes übrig als weiter zu leben. Es ist als hätte man die Pflicht das Leben zu leben.
Die Pflicht zu leben bedeutet alles zu nehmen, was einem das Leben vorsetzt. In meiner Arbeit höre ich immer wieder Lebensgeschichten, die so schlimm sind, dass sich für mich die Frage stellt, wie das ein Mensch überleben kann? Wie kann ein Mensch ein Schicksal tragen, dass unerträglich scheint? Die Antwort, wie er das kann, zeigt sich im Umgang mit dem eigenen Schicksal, denn der Mensch kann. Er kann ganz außergewöhnliche Methoden entwickeln, sein Überleben zu sichern. Manche davon werden schulmedizinisch eventuell als pathologisch kategorisiert, letzten Endes ist diese Kreativität jedoch eine Möglichkeit mit lebensverändernden Ereignissen umzugehen. Und somit auch eine Quelle unserer Ressourcen. Die beiden Pole hell und dunkel, oder Gut und Böse oder schwarz und weiß benötigen wir im Leben, um Reibung zu erzeugen, um Energie zu schaffen. Nur wenn beide Pole gleichzeitig nebeneinander existieren können wird eine „Pathologie“ unnötig.
Einen Pol (hell oder dunkel) zu verdrängen, lässt Angst entstehen. Angst aus Ohnmacht, Angst die lähmt, Angst nicht geliebt zu werden, Angst vor Bedrohung. Meist überwiegt in uns eine Reaktionsweise. Eine gute Integration besteht dann, wenn alle vier Ängste der Situation angemessen empfunden werden können. Können wir solch einen Zustand herstellen, dann entsteht Frieden.
Ein friedliches Leben ist der Wunsch, den ich am häufigsten in meiner Arbeit geschildert bekomme. Ein Zu-friede-nes Leben wünschen sich die Meisten. Die Konzentration auf nur eine Seite des Lebens reicht nicht aus. Die „Unterwelt“ muss dazu einen Platz im eigenen Leben erhalten.
Der Familie des Kindes wird diese Information momentan nicht weiterhelfen, sie sind momentan wohl eher auf der dunklen Lebensseite. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen immer mal wieder eine Stippvisite heller Momente, damit sie die Hoffnung um das Wissen nicht verlieren, dass sie eines Tages mit dieser Situation werden leben können.
Ein sehr schöner Beitrag.
Oh ich habe Tränen in den Augen und eine Gänsehaut so berührend.