Ambivalente Beziehungsstörung

ambivalente Beziehungsstörung
Heute versuche ich der Frage nachzugehen, wie eine ambivalente Beziehungsstörung entstehen kann. Ich werde einen Zusammenhang zwischen einer unsicher ambivalenten Bindung und dem später resultierenden Beziehungsverhalten herstellen. Meines Erachtens ist die Generation der Nachkriegsenkel eine Generation, die keine gute Bindungserfahrung gemacht hat. Und daher sind für mich die Bindungsthemen meist ein grundsätzliches Thema in meiner Arbeit. Eine ambivalente Beziehungsstörung ist ein häufiges Resultat frühkindlicher Vorbilder im Beziehungsgeschehen.

Die Zusammenhänge zwischen frühkindlicher Bindung und Beziehung können sie in dem angegebenen Blog lesen. Außerdem können Sie sich auch gerne über die Zusammenhänge zwischen frühkindlichen Themen und Psychosomatik informieren.

Wie kann nun aber eine ambivalente Beziehungsstörung entstehen?

Ein Kind entwickelt eine ambivalente Bindung zu seiner Hauptbezugsperson, wenn diese für das Kind selbst nicht einschätzbar ist. Solche Kinder zeigen sich ängstlich und sind sehr an die Bezugsperson gebunden. Sie sind jedoch die ganze Zeit beschäftigt herauszufinden in welcher Stimmung diese gerade ist. Sie passen ihr Verhalten an, damit die Bindung bestehen bleibt.

Damit dies vorstellbarer wird hier ein Beispiel für einen Kindheitsverlauf:

Eine Mutter eines einjährigen Kindes ist gerade selbst in einer Krise und kann nicht adäquat auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagieren. Sie reißt sich zusammen, schafft es aber nicht eine kontinuierliche, emotional zugewendete, Haltung aufzubauen. Mal ist sie dem Kind ganz zu gewendet, mal ist sie ganz abwesend. Sie ist innerlich in Aufruhr und ihre Emotionen schwappen schnell von einem Extrem in das andere. Diese Situation kennen wir alle von uns selbst. Allerdings hoffentlich nur in Phasen. Damit meine ich, dass wir wissen, was wir selbst benötigen, um uns selbst wieder zu stabilisieren. Diese hier beschriebene Mutter kann das jedoch nicht. Sie ist für ihr Kind sehr willkürlich und nicht einschätzbar. Sie reflektiert dem Kind nicht, was gerade mit ihr los ist. Sondern sie ist in sich haltlos und gibt diese unbewusst an ihr Kind weiter.

Mit dieser Situation ist ein Säugling und ein Kleinkind überfordert. Kleine Kinder lernen vor allem emotionale Verbindung über das Vorbild der Eltern. Wenn ein Kleinkind erlebt, dass eine erschöpfte Mutter eine kleine Pause macht und dann wieder fitter ist, fällt es ihm leichter diese Art der Regulation zu kopieren. Und es lernt diese Form der Regulation ins eigene Verhaltensrepertoire aufzunehmen.

Die o. g. Mutter gibt jedoch keine klare Zuordnungsmöglichkeit. Wann mache ich was und warum erklärt sich dem Kind nicht im einem fassbaren Zusammenhang. Das Kind kann nicht erkennen, welche Zusammenhänge es zwischen inneren Zuständen und Verhalten der Mutter gibt. Es ist starker Willkür ausgesetzt. Also entwickelt ein Kind größte Aufmerksamkeit auf die Bezugsperson, um eine Regelmäßigkeit zu erkennen. Dabei fehlen ihm jedoch eigene Regulationsmechanismen, denn es hat ja kein Vorbild. Und hier beginnt die Ambivalenz. Trotz größter Aufmerksamkeit und Beobachtung der Bezugsperson kommt keine verlässliche Beziehung zustande.

So ein Kind empfindet auch im späteren Leben nicht dieersehnte Ruhe in einer Beziehung. Sondern es dürfte immer mit der Beobachtung des Partners beschäftigt sein, um adäquat für den Partner zu reagieren. In der Hoffnung die Beziehung herzustellen. Mit den Jahren kommen neue Möglichkeiten hinzu. Man kann auch eine Beziehung herstellen, wenn man provoziert oder wenn man ganz aus dem Kontakt geht, in der Hoffnung der Andere tut dann mal etwas. So reift ein Kind zu einem jungen Erwachsenen und beginnt sich einen Partner zu suchen.

So könnte es im Beziehungsleben weitergehen:

In einer engen Beziehung wird ein solch geprägter Mensch den Druck empfinden, die Beziehung herstellen zu müssen. Er nutzt dabei  alle bis dahin erlernten Methoden. Dies führt langfristig zu Überlastung und erneut zu Stress. Erneut wird der Partner mit erhöhter Aufmerksamkeit gesehen und in großer Abhängigkeit empfunden. Ein Mensch, der eine ambivalente Bindung erlebt hat wird versuchen die konstante Verbundenheit zum Partner deutlich und vor allem kontinuierlich fühlbar zu haben. Es wird ihm schwer fallen, der Verbindung zu vertrauen, mal nähere mal distanziertere Zeiten miteinander zu haben. Jedes Mal wenn dieser Mensch uneindeutiges Verhalten wittert, erlebt er einen Auslöser für seinen frühkindlichen Stress.

Eventuell wird er versuchen dies zu lösen, indem er anspricht was er wahrnimmt und das Gegenüber wird nicht immer folgen können. Ein Missverständnis innerhalb der Beziehung macht erneute Uneindeutigkeit und der Stress wird noch größer, das Verhalten noch einnehmender oder ablehnender. Der Versuch die Beziehung wieder herzustellen wird überzogen und dramatisiert. So entsteht ein Teufelskreis innerhalb einer Beziehung. Und die Ambivalenz der Gefühle nimmt zu. So kann die ambivalente Beziehungsstörung entstehen.

Bis man sich in einer Beziehung so gut kennt, dass man weiß was der Andere wie gemeint hat und warum er es so äußert gehen oft Jahre ins Land. Und nicht immer besteht eine Beziehung so lange, denn der zugrunde liegende Störfaktor ist oft in einem Selbst verankert, wird jedoch gerne auf den Partner geschoben. Als Ursache für die Ambivalenz in der Beziehung gegenüber wird der Partner genutzt und nicht die eigene innere Zerrissenheit. Denn den frühkindlichen Stress zu erkennen und ihn als einen eigenen Anteil anzunehmen ist oft schwierig.

Frühkindliche emotionale Bestandteile zeigen sich nicht sehr klar abgegrenzt und sind oft auch nicht gut zuzuordnen. Oft kann man sie identifizieren, weil sie sich sehr generalisiert anfühlen. Also wenn alles voll ist mit Wut auf den Partner, dann hat das meist etwas mit der eigenen Gefühlswelt zu tun. Die vom Partner ausgelöst wird, weil er eben der Mensch ist auf den sich die Hoffnung auf Nähe und Sicherheit und Geborgenheit beziehen. Nur weiß ein Mensch, der ambivalent gebunden war eben einfach nicht, wie das gehen soll.

Meiner Meinung nach kann sich eine ambivalente Beziehungsstörung in einer bestehenden Beziehung gut auflösen, wenn beide Partner in der Lage sind in der Beziehung zu bleiben und den eigenen inneren Stress annehmen und auflösen. Das bedeutet jedoch sich selbst, seinen Ängsten und Unzulänglichkeiten zuzuwenden, diese erkennen und in die eigene Hand nehmen. Dann wird der Partner nicht in eine Verantwortung gezogen die er gar nicht hat. Und es besteht die Möglichkeit, die Beziehung auf einer etwas sachlicheren Ebene zu führen. Statt alte, eigene Themen rein zu mischen.

Ich glaube auch, dass Beziehungen immer wieder Phasen haben, die einer ambivalenten Beziehungsstörung ähnlich sind und dass es eben eine enge Beziehung braucht, um sich seinen eigenen Beziehungsthemen oder Bindungsthemen zu nähern.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal meinen Eindruck eines Generationsthemas betonen. Die Pathologie in einer ambivalenten Beziehungsstörung zu sehen ist einfach. Aber die Möglichkeit zu erkennen, trotz einer oft selbst schlecht gebundenen Herkunft, eine Beziehung zu führen ist für mich viel wichtiger. Meiner Meinung nach brauchen wir alle enge und soziale Kontakte. Wir Menschen sind soziale Wesen. Nur ist es meiner Meinung nach wichtiger zu lernen, mit dem Generationsthema der „Wurzellosigkeit“ Beziehungen zu führen.

Diese Herausforderung bringt eben auch die Auseinandersetzung mit einer ambivalenten Beziehungsstörung mit sich.

Lassen Sie sich davon nicht einschüchtern!

Herzlich

Christini Hönig